Ihr Elternhaus bot reichlich Platz für Kulturelles und all die schönen Dinge, die das Leben angenehm gestalten. Doch der Raum für Gefühle war eher klein. Contenance! Das kleine Mädchen wusste nichts davon. Es hatte ein großes Zimmer, hübsche Kleider und Spielsachen im Überfluss. Es gab eine Kinderfrau, die sie von früh bis spät umsorgte und darauf achtete, dass sie sauber, gesund und wohl genährt war. Das kleine Mädchen verbrachte die Tage ihrer Kindheit fröhlich, unbeschwert und wohl behütet. Traditionen wurde in diesem hanseatischen Haushalt groß geschrieben. An den Feiertagen kam die ganze Familie zu einem gemeinsamen Essen zusammen und es gab Festivitäten zu allen besonderen Anlässen. Natürlich auch zu dem Zeitpunkt, als aus dem kleinen Mädchen eine junge Frau geworden war, die in die Gesellschaft eingeführt werden sollte. Aus dieser Zeit stammt dieser Flakon, der heute seinen Platz neben einer frühen Fotografie des kleinen Mädchens gefunden hat.
Wenn ich das dunkle Rauchglas und den Stopfen aus Rosenquarz betrachte, dann sehe ich sie vor mir. Die junge Frau sitzt auf einem runden, bunt bedruckten Pouf vor dem großen Mahagoni-Spiegel ihrer Frisierkommode. Ihr Haar ist frisch frisiert, ihr erstes Ballkleid liegt ausgebreitet auf ihrem Bett. Sie ist aufgeregt, doch sie lächelt ihrem Spiegelbild Mut zu. Dann tupft sie jeweils einen Tropfen ihres Lieblingsduftes hinter ihre Ohrläppchen, stellt den Flakon zurück auf die Kommode und steht auf. Sie ist bereit.
