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Mein Wort Reich

"Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen." ( Samuel Butler)

 

 

Eine kleine Weihnachtsgeschichte

December 6, 2014 5855hits

Er brachte einen Schwall eisiger Kälte und ein paar Schneeflocken mit ins Haus. Und eine große Tüte mit noch warmen Brötchen. Trotz seiner dicken Daunenjacke fröstelte er und schloss deshalb eilig die Tür hinter sich. Das Teewasser kochte und wir beide hantierten in unserer Küche eine Weile still vor uns hin. Es war noch viel zu früh für lebhafte Gespräche. Doch die Stille hatte an diesem Morgen einen ganz anderen Grund.

 

Nach der ersten Tasse Tee erzählte er. Von der Sendung im Radio, die er im Auto gehört hatte. Ein paar ausländische Studenten waren interviewt worden, die in diesem Jahr das Weihnachtsfest nicht mit ihren Familien verbringen konnten. "Die junge Israelin hat geweint. Weil sie solches Heimweh hat und sich kein Ticket nach Hause leisten kann. Einfach schrecklich." Ich konnte sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete. "Da muss man doch was machen." Unsere Überlegungen dauerten keine fünf Minuten. Dann öffnete er die Website des Senders, nahm den Hörer zur Hand und wählte eine Nummer in Kiel. Ganz offensichtlich war man erstaunt über seinen Anruf, denn schließlich hatte man keine Aktion oder einen Aufruf gestartet. Doch dann versprach man ihm, sein Angebot weiter zu geben.

Schon ein paar Tage später telefonierten wir mit ihr. Sie war sehr schüchtern, doch der Betreuer des Studentenheims in dem sie lebte hatte ihr versichert, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte. Seine Sicherheit resultierte aus dem Eindruck, den er sich nach den mit uns geführten Telefonaten und gewechselten E-Mails gemacht hatte. Und sie vertraute ihm. Freute sich sogar über unsere Einladung und nahm sie gern an. Wir vereinbarten, sie am Heiligabend abzuholen.

Von da an machten wir uns Gedanken über ein Weihnachtsfest mit einer Israelin. Ich recherchierte im Web, ob Juden, die ja Chanukka und kein Weihnachtsfest feiern, irgendetwas Besonderes an Weihnachten zelebrieren? Und was sie essen? Die traditionellen Gerichte selbst waren nicht das Problem, sondern deren Zubereitung. Wie sollten wir es bewerkstelligen, koscher zu kochen? Schließlich war es bei uns völlig egal, ob Fleischiges, Milchiges oder Neutrales in ein und demselben Topf zubereitet wurden. Ein weiteres Telefonat mit unserer unbekannten neuen Freundin beantwortete all diese Fragen. Denn wir erfuhren: sie ist Israelin, aber keine Jüdin. Sondern Araberin und ihre Konfession ist katholisch. Das fanden wir sehr interessant und freuten uns darauf, mehr von ihr darüber zu erfahren.

Doch ein weiteres Telefonat beendete unsere Planung. Ein anderer Radiohörer, der sich ebenfalls an den Sender gewandt hatte, wollte ihr das Flugticket nach Israel stiften. Sie war so aufgeregt, als sie es uns erzählte. Und zwiegespalten, weil sie unsere Einladung ja bereits angenommen hatte. Selbstverständlich musste sie dieses großzügige Angebot wahrnehmen und fliegen, was denn sonst? Den Besuch bei uns und unser persönliches Kennenlernen konnten wir auch auf einen anderen Zeitpunkt verschieben.

Wir trafen uns im Frühjahr danach, verbrachten ein Wochenende zusammen, lernten uns kennen und tauschten Weihnachtsgeschenke aus. Und wir wollten in Verbindung bleiben und uns irgendwann wiedersehen. In der Folgezeit hatten wir immer wieder Kontakt über Facebook oder WhatsApp, zeigten uns gegenseitig Fotos und überlegten ein erneutes Treffen, das aus den unterschiedlichsten Gründen aber immer wieder verschoben worden war.

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Doch in der vergangenen Woche sprachen wir eines Abends über Weihnachten. Und darüber, die bereits im vergangenen Jahr ausgesprochene Einladung zu wiederholen. Also schrieb ich unserer jungen Freundin und lud sie ein. Inzwischen hat sie geantwortet. Sie kommt gern zu uns. Und sie bringt ihre beste Freundin mit.

Wir freuen uns auf die beiden jungen Frauen. Die eine aus Israel, die andere aus Kamerun. Spaß werden wir haben, da sind wir uns sicher. Und wenn wir am kommenden Wochenende - so rechtzeitig wie in jedem Jahr - unseren Weihnachtsbaum aufstellen und schmücken, wird uns das besonders viel Freude machen.