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Mein Wort Reich

"Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen." ( Samuel Butler)

 

 

Muttergottesgläschen

August 11, 2014 5098hits

Niemandsland. So hieß das von verkrüppelten Holundersträuchern bewachte und brombeerumrankte Gebiet hinter den Häusern unserer Siedlung. Brennesseln, Weißdorn und allerlei Gestrüpp verbargen den geheimen Zugang, den wir Kinder uns unter Einsatz unseres Lebens freigeschlagen hatten...

 

Noch wochenlang trug jedes von uns tiefe Kratzer an nackten Beinen und Armen, doch das gehörte zum Rittertum oder Cowboydasein dazu. Es war uns allen streng verboten, dieses brach liegende Grundstück zu betreten. Gelbe Warnschilder wiesen jeden darauf hin, der auch nur einen Gedanken daran verschwendete. Doch für uns war das Niemandsland eine wunderbare, verwunschene Welt und wir fanden jeden Tag ein neues Abenteuer, das gemeistert werden musste. Nach der Schule erwarteten uns dort unsere imaginären Pferde, die während unserer Abwesenheit auf kniehohen Wiesen grasten und unsere hölzernen Schwerter lagen versteckt unter einem Verschlag aus Brettern bereit. Unsere Spiele, Kämpfe und Exkursionen versetzten uns jedes Mal in eine andere Welt. Und an manchen Tagen waren wir so sehr darin gefangen, dass wir zur Abendbrotzeit auf zwei Beinen nach Hause galoppierten.

In unserem Niemandsland gab es neben Bäumen und Sträuchern herrliche Blumen. Es gab wilde Margeriten und Glockenblumen, natürlich Löwenzahn, Nesseln, Butterblumen und Gänseblümchen und es gab "Muttergottesgläschen". So wurden die strahlend weißen Blüten der Ackerwinde genannt, die ihre Arme um alles schlang, was in unserem Niemandsland wuchs. Ihren Namen hatte die Pflanze dieser Legende zu verdanken:

In einer Zeit, als es noch keine motorgetriebenen Fahrzeuge gab, belud ein Fuhrmann seinen hölzernen Karren mit Wein. Seine Fahrt führte ihn über so manch unwegsame Straßen und seine mit Eisen bereiften Räder rollten nur mühsam über Stock und Stein. In einem besonders schmalen Feldweg rutschte er mit einem Rad in einen tiefen Graben, stieg ab und trotz aller Mühe konnte er das Rad nicht bewegen. In diesem Moment kam die Mutter Gottes des Weges und als sie sah, in welcher Not der Fuhrmann sich befand, sprach sie zu ihm: "Ich bin müde und sehr durstig. Bitte gib mir ein Glas Wein und ich werde Deinen Wagen frei machen." "Sehr gern", erwiderte der Fuhrmann,"aber ich habe kein Glas um Dir den Wein darin zu reichen." Da brach die Mutter Gottes einen weißen Kelch der Ackerwinde und reichte es dem Fuhrmann. Er füllte die Blüte mit Wein, die Mutter Gottes trank und in diesem Augenblick ward der Wagen wieder frei. Seitdem heißt die Blüte der Ackerwinde "Muttergottesgläschen".

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