Email: This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.

Mein Wort Reich

"Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen." ( Samuel Butler)

 

 

Two

June 13, 2014 7439hits

Dieses Projekt ist eine Gemeinschaftsproduktion. Daniela und ich waren in einem Tierschutzverein aktiv und wir hatten Spaß daran, PAULA zu erfinden und ihre Geschichte gemeinsam zu schreiben. Also schrieb jede von uns die Geschichte an der Stelle weiter, an der die jeweils andere aufgehört hatte. Und nur wer uns sehr gut kennt wird den Wechsel erkennen. Aber nur dann.

Buch

PAULA

von Daniela Koppenhöfer und Ellen Steinbach


Kapitel 1


„Du streichelst den Hund häufiger als mich!“ Zufrieden lag Paula auf dem Rücken und grunzte leise vor sich hin, während Herrchen ihr den Bauch kraulte. Für sie war die Welt in Ordnung. Draußen schüttete es wie aus Eimern. Der Regen prasselte gegen die Fenster und der Wind, der in heftigen Böen um das Haus fegte, fuhr den alten Linden davor stürmisch durchs Haar. Paula liebte Wasser. Sie liebte große Pfützen, egal wie dreckig sie waren. Sie liebte den Teich mit den Enten darauf. Und sie liebte das Meer, schließlich war sie ein Seehund. Was sie nicht liebte war spritzendes Wasser. Sie hasste Wasser von oben, egal ob es aus dem Gartenschlauch, der Dusche oder vom Himmel kam. Mit leisem Seufzen zeigte Paulas Frauchen mit dem Zeigefinger auf ihre Armbanduhr. „Du oder ich? Zeit für eine Gassi-Runde.“ Paula schien die Worte gut zu verstehen, denn mit einem wohligen Schnuffeln schloss sie schnell die Augen und stellte sich tief schlafend. Doch Paulas Herrchen stand auf und rieb sich die vom Bücken schmerzenden Knie. „Ich gehe freiwillig. Nach einem langen Arbeitstag wird mir etwas frische Luft sicher gut tun. Ich werde Paula zwar überreden müssen, aber wir beide machen das schon.“

Der Blick aus dem Fenster zeigte, dass sich das Wetter nicht wirklich gebessert hatte. Nur dass es jetzt ein dichter, verhangener Sprühregen war, der die Sicht vernebelte. Der Wind frischte langsam zu einem echten Sturm auf und das Laub raschelte und seufzte so laut, dass man es sogar hier im Wohnzimmer hören konnte. Mit einem leisen Frösteln ging Paulas Herrchen in die geräumige Diele, um sich regenfeste Sachen aus dem Schrank zu suchen. Dann schaute er Paula fragend an und die Hündin erbarmte sich seiner...

Paula wünschte sich Gummistiefel. Solche wie Jan sie trug. Frauchen sagte immer Jan zu Herrchen. Und Herrchen nannte Frauchen Hanna. Müde trottete sie Jan hinterher, der gezielt den Weg zum Wald einschlug. Wenigstens ein kleiner Lichtblick, denn Paula liebte den Wald. Zum einen wurde man dort nicht so nass und zum anderen erlebte man dort die schönsten Abenteuer. Erst letzte Woche hatte sie einen Igel aufgestöbert, der unter einem Haufen kleiner Äste nach Nahrhaftem suchte. Und kurz danach war ihnen auf der Lichtung ein Rehbock begegnet, der die schönsten Augen hatte, die Paula jemals gesehen hatte.

Paula war nass. Sie wusste zwar, dass ihr dichtes Unterfell sie davor bewahren würde, die Kälte auch auf ihren Knochen zu fühlen. Aber gemütlich war anders. Doch da waren sie schon im Wald angekommen. Sie schaute Jan an und der meinte aufmunternd „lauf voraus!“ Weg war sie. Nach einem ausgiebigen Spaziergang, auf dem Paula so manchen Käfer, viele Vögel und heute sogar eine Blindschleiche traf, kamen die beiden nass aber fröhlich nach Hause zurück. Hanna hatte schon ihr Abendessen vorbereitet, Rindfleisch mit Gemüse. Paula liebte ihr Futter, und zwar zu jeder Tageszeit. Nach dem Dinner strich sie Hanna zum Dank noch ein wenig um die Beine und dann kuschelte sie sich in ihren Korb. Den hatten ihre Menschen in der Küche, direkt neben dem Kamin platziert und von dort hörte man nur wenig später ihr leises Schnarchen.

ufo1

Später an diesem Abend saßen Jan und Hanna in der Küche am Tisch bei dem wärmenden Ofen und tranken ein Glas Rotwein. Nachdenklich drehte Hanna ihr Glas immer wieder zwischen zwei Fingern von links nach rechts und wieder zurück. Sie beobachtete Paula, die im Traum leise bellte und deren Beine offensichtlich einem Hasen zu folgen schienen. Hanna erinnerte sich an die Zeit als Paula zu ihnen kam. So oft hatten sie Paulas Mama und die sechs munteren Welpen beim Züchter besucht. Mit vielen guten Tipps versorgt und mit einem gesunden und fröhlichen Welpen fuhren Jan und Hanna damals heimwärts. Paula schlief während der Fahrt eingerollt brav auf Hannas Schoß. Es war genauso ein schreckliches Wetter wie an diesem Tag. Hannas und Jans Herz war voller Liebe und Vorfreude auf das Leben mit Paula, ihrem Wunschhund.

Lange hatten die beiden Menschen sich überlegt, zu welchem Hund sie passen würden. Sie besuchten Hundeausstellungen und informierten sich dort über die verschiedenen Rassen. Schnell stellte sich heraus, dass ein Retriever die richtige Rasse für sie wäre. Hanna und Jan wohnten auf dem Land. Sie hatten ein Haus und ein großes Grundstück. Überall würden sie mit dem Hund ohne Leine laufen können und es gibt viele Seen und das Meer, wo ein glücklicher Retriever schwimmen konnte. Sie waren beide sportlich, bewegten sich gern und würden mit „ihrem“ Hund viel laufen und viele wundervolle Dinge unternehmen. Sie ließen sich auf einer Ausstellung eine Züchterliste vom Fachverband geben und nahmen Kontakt zu verschiedenen Verbandszüchtern in ihrer Nähe auf. Besuche folgten und schnell hatten sie sich entschieden, von welchem Züchter der Welpe kommen sollte. Das war eine wahnsinnig aufregende Zeit gewesen. Sie konnten es kaum abwarten bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihr Hundebaby endlich nach Hause holen würden. Hanna sah Jan von der Seite an, der es sich neben ihr mit der Abendzeitung bequem gemacht hatte. Im Kaminofen knackte und knisterte es und Hanna hing weiter ihren Gedanken nach. Fast täglich war sie damals auf der Homepage des Züchters gewesen, so als erwarte sie jedes Mal ein neues und noch viel süßeres Foto von Paula als am Tag zuvor. Natürlich hatte so ein Züchter viel wichtigere Dinge zu tun, als ständig Fotos Online zu stellen. Aber wenn sie dann hin und wieder neue Bilder der Welpen entdeckte, suchte sie zuerst nach Paulas süßem Gesicht. Paula, wie sie schlief. Paula, wenn sie auf dem Rücken lag. Paula, wenn sie sich neben ihren Geschwistern einen Platz am Fressnapf erkämpfte. Paula, wenn sie Pippi machte. Paula, wie sie schlief... Mit Geschichten über Paula hatte sie schon alle ihre Kollegen völlig verrückt gemacht. Jedes Mal, wenn sie den Namen Paula erwähnte, verdrehten alle um sie herum die Augen. Und jeder von ihnen hoffte inständig, dass Hannas „Niederkunft“ nicht mehr so lange auf sich warten ließ und diesem Theater endlich ein Ende bereitet wurde. Damals hatten sie keine Ahnung davon, dass es noch schlimmer für sie kommen könnte. Hanna kicherte leise in sich hinein, als sie sich an diese Zeit erinnerte. Jan schaute hinter seiner Zeitung hervor. „Worüber lachst Du?“ „Über mich. Darüber, dass ich meine gesamte Umwelt damals mit Geschichten über Paula gequält habe, obwohl sie noch nicht einmal hier war.“

Murnenalarm3

Jan schmunzelte, denn auch er konnte sich gut daran erinnern. Und weil er fast genau so aufgeregt gewesen war, wie Hanna. Er hatte schon so lange einen Labrador Retriever haben wollen. Irgendwann, vor vielen Jahren, war er zu Freunden in die neuen Bundesländer gefahren, die dort einen Besitz der Familie zurückerobert hatten. Es war ein warmer Sommertag gewesen und er freute sich auf ein kaltes Bier. Als sein Wagen auf den großen Platz vor dem Haus fuhr, war keine Menschenseele zu sehen. Selbst die Hühner, die sonst gackernd irgendwo im Dreck kratzten, waren entweder an schattigere Plätze verschwunden oder aber der Fuchs hatte alle geholt. Doch als Jan aus dem Wagen stieg, sah er ihn. Etwas gelangweilt und völlig entspannt lag auf der Schwelle vor der Haustür ein dunkelbrauner, großer Hund. Er schaute Jan erwartungsvoll an, bewegte sich aber nicht vom Fleck. Jan wusste zunächst nicht, wie er sich nun verhalten sollte. Was, wenn das der neue Wachhund seiner Freunde war? Was, wenn er Jan als Eindringling sah und ihn angreifen würde? Der Hund fixierte Jan weiterhin, blieb dabei aber völlig ruhig. Also fasste Jan sich ein Herz und ging auf ihn zu. Was sollte schon passieren? Er liebte Hunde und die meisten liebten ihn. In dem Moment, als er einen Fuß vor den anderen setzte, kam Bewegung in die braune Masse. Jetzt erst sah Jan, dass es ein mächtiger Rüde war, mit einem breiten Kopf und einer noch breiteren Brust und die Begegnung mit ihm war unausweichlich. Und kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, lagen rechts und links zwei riesige Pfoten auf seiner Schulter und eine gewaltige Zunge leckte ihm quer über das Gesicht. Nach diesem Tag wünschte Jan sich noch sehnlicher als zuvor einen Hund. Er wollte genauso einen schokoladenbraunen Labrador Retriever wie diesen. Oder nein, er wollte ein schokoladenbraunes Labrador Retriever-Mädchen. Eine Paula.

Daheim besprachen Jan und Hanna damals viele Abende die Anschaffung eines Hundes, mit allen Konsequenzen. Sie machten sich die Entscheidung nicht leicht. Zeit, Geld, Liebe, Umfeld und dann die Erziehung eines Hundes. Alles wollte bedacht werden. Nicht zuletzt das artgerechte Leben des Hundes. In dieser Vorbereitungszeit stießen Jan und Hanna auch auf endlos viele Zeitungsanzeigen, in denen Welpen angeboten wurden. In der Euphorie und Vorfreude auf ihren Schokolabby meldeten sie sich telefonisch auf einige der Anzeigen und schauten sich Welpen und Würfe an. Was sie sahen, ließ ihr Bauchgefühl ALARM schreien. Welpen, deren Mütter man nicht sehen konnte. Zurückgezogene Hunde, die sich ängstlich in Ecken verkrochen. Räumlichkeiten, die nicht nach einem verantwortungsbewussten Züchter aussahen. Einsame Bauerngehöfte auf dem Land und einmal sogar eine regelrechte Anlage, in der scheinbar viele Hunde lebten. Nein! Sie lebten dort nicht gut. Es roch mehr so, als würden die Tiere dahin vegetieren und nicht gepflegt werden. Abgestoßen und irgendwie aufgerüttelt suchten Jan und Hanna dann auf den Ausstellungen nach Informationen. Die fanden sie an einem Stand des Vereins für das Deutsche Hundewesen (VDH) und dort bekamen Sie auch Adressen von bekannten Züchtern, wo sie einen gesunden Welpen aus einer guten Zucht kaufen könnten. Man warnte sie auch ganz ausdrücklich davor, einen Welpen aus einer Hobbyzucht zu kaufen. So, wie es allzu oft in den Zeitungsinseraten gestanden hatte. Ein gesundes und wesensfestes Tier würden Jan und Hanna eben nur bei einem anerkannten und geprüften  Züchter bekommen.

So saßen Jan und Hanna nun in der warmen Küche und schauten mit liebevollen Augen auf Paula, ihren Herzenshund. Paula, die ein so wundervoll aufgeweckter Welpe war. Neugierig, lerneifrig und mit einem so wundervollen Wesen ausgestattet. Kerngesund und freundlich. Schmunzelnd gestanden sich beide ein, dass Paula eigentlich ihr Kind sei und mindestens ebenso geliebt wurde. Und Paula dankte es ihnen jeden Tag.


 Kapitel 2

Paula rollte sich auf den Rücken, streckte als Frühgymnastik alle Viere von sich und den Kopf zur Seite. Aus dieser Perspektive sah sie das große Fenster, durch das bereits die Morgensonne schien. Die Blätter der Linde, die sich leicht im Wind bewegten, reflektierten die Sonnenstrahlen und warfen sie in flirrenden Mustern einfach auf den Holzboden neben Paulas Korb. Die Hündin beobachtete ganz genau was da passierte. Inzwischen hatte sie sich auf die Seite gedreht und versuchte, die Sonnenflecken vom Boden aufzulecken. Vergebens! Gelangweilt drehte sich Paula auf den Bauch, legte ihren Kopf auf den Rand ihres Korbes und seufzte. Erst ganz leise, dann schon ein wenig lauter. Unmut machte sich breit. Paula wollte Action! Also stand sie auf, schüttelte sich ausgiebig und machte sich in Richtung Schlafzimmer auf. Obwohl es noch sehr früh war, schrien sich die Vögel draußen die Kehle aus dem Leib. Paula fand Vögel toll. Sie fand überhaupt alles toll was flog. Stundenlang konnte sie vor dem Haus liegen und den Vögeln, Insekten und Flugzeugen zusehen. Manchmal beobachtete sie auch einfach die Wolken. Doch jetzt stand ihr der Sinn nach einer anderen Art der Unterhaltung.

Paula setzte sich auf die Schwelle zur Schlafzimmertür und lehnte sich dagegen. Es war mucksmäuschenstill, kein Laut war von dort drinnen zu hören. Paula nahm ein wenig Schwung und ließ sich gegen die Tür fallen. Nichts geschah. Oh Mann, die schliefen ja vielleicht fest. Paula trottete durch den Flur in die Küche und schaute sich suchend um. Es war so langweilig! Auf ihrer Kuscheldecke unter dem Esstisch lag ihr Stoffhase. Der war rot und Paula liebte ihn sehr. Er war wach, lag aber ganz still dort, mit offenen Knopfaugen. Hase schien sich ebenfalls zu langweilen, also wollte Paula ihn unterhalten. Sie nahm ihn wie einen Lolli zwischen ihre dicken Pfoten und leckte hingebungsvoll seinen Kopf.

haserot


„Paula!“ Endlich! Hanna rief nach ihr. Paula versetzte ihrem Hasen einen Tritt und rannte zurück zum Schlafzimmer. Doch Hanna war schon ins Bad gegangen und gurgelte dort bereits ein fröhliches Lied. Jan aber lag noch im Bett, denn es war Samstag und samstags arbeitete Jan nicht. Mit einem Satz landete Paula nicht nur auf dem Bett, sondern direkt auf Jans Bauch. „Paula! Bist du verrückt geworden?“ Aber Paula ignorierte sein Geschrei und leckte ihm einmal quer über sein Gesicht. Wäre doch gelacht, wenn sie ihn nicht wach bekäme. Während die beiden unter Decken und Kissen Versteck spielten, war Hanna bereits in der Küche zu hören. In dem Moment, als Paula das Klappern ihres Napfs vernahm, war die Toberei mit Herrchen das Unwichtigste auf der ganzen Welt. Frühstück! Paula liebte Frühstück! Abmarsch in die Küche! Die Nase erhoben und dabei laut und vernehmlich schnüffelnd, marschierte Paula stracks Richtung Küchentresen, um einen ersten Blick auf das Frühstück zu werfen. Vielleicht würde sie ein wenig mehr sehen können, wenn sie sich an den Tresen stellen könnte? Frauchen mochte das zwar gar nicht, aber Paula startete fast täglich in hübscher und hartnäckiger Labby-Manier einen neuen Anlauf. Also etwas Anlauf und... hopp! Vorderpfoten auf den Küchentresen und einen gaaaanz langen Hals machen. Und prompt kam Hannas Hand und schubste Paula sanft mit den Worten „ab Paula – lass den Unfug!“ wieder runter. Und wie fast jeden Morgen nahm Paula sich insgeheim vor, bei sich ergebender Gelegenheit dennoch heimlich am Tresen hoch zu springen, um einen Blick zu werfen und ganz vielleicht auch mal ein Vorweg-Häppchen zu räubern. Indessen nahm Hanna aber schon den gut gefüllten Napf und brachte ihn zu Paulas Fressplatz. Brav machte Paula „Sitz“. Hanna mochte es nicht, wenn Paula sich auf das Fressen stürzte und so hatte Paula im Laufe der Zeit gelernt, sich brav vor den Napf zu setzten und erst dann loszulegen, wenn Frauchen auf das Futter zeigt und sagt: „Nimm!“ Paula wäre kein waschechter Labrador, wenn Fressen und gutes Futter nicht das Allerbeste im Leben für sie wäre. In gewohnter Manier pumpte Paula das Frühstück ab, denn es gab ihr Lieblingsfutter: Frische Meeresforelle mit Gemüse und - weil Wochenende war - einen frischen Eidotter dazu. Nachdem sie ordentlich und in gründlicher Ruhe den Napf ausgeleckt hatte, ein Gläschen frischen Gänsewein getrunken und - pardon - ein Rülpserchen gemacht hatte, marschierte sie wieder zu Hanna in die Küche zurück.

Inzwischen war auch Jan am Frühstückstisch erschienen. Ein neuer und verheißungsvoller Tag hatte also begonnen. Die Sonne malte Muster auf die Tischdecke und winzige Partikel schwebten durch die Lichtstrahlen im Raum. Es war ruhig, gemütlich und harmonisch. Paula liebte diese Stimmung, zeigte sie doch, dass ihre Menschen zufrieden und glücklich waren. Und dann war Paula es auch. Paula legte sich neben den Frühstückstisch und beobachtete mit ihren wunderschönen braunen Augen, wie ihre Menschen nun endlich mit ihrem Frühstück begannen.


Kapitel 3

Ein paar Wochen später war Paula schon fast 7 Monate alt und recht groß für eine Hündin dieses Alters. Hanna hatte kürzlich nachgemessen und die Schlange, die in ihre kleine Schulter gebissen hatte, trug auf der Stirn eine 55. Doch weil Hanna sich nicht ängstigte, hatte auch Paula keine Angst. Sie ließ sich von Hanna in die Küche schleppen und in eine silberfarbene Schaukel setzen. Das war lustig und auch Hanna hatte laut gelacht. An der Schaukel war ein Zähler und obwohl sie nur einmal geschaukelt hatte, zeigte der eine 23 an. Paula wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, aber Hanna schien zufrieden. Paula hatte es sich auf ihrer Decke in Jans Büro gemütlich gemacht. Jan hackte schon den ganzen Tag auf einem Brett herum, das vor ihm auf seinem Schreibtisch lag. Es war vor lauter Papierkram kaum zu sehen, aber Jan war ein Genie. Er wusste meist sehr genau, wo er was in seinem Chaos zu suchen hatte. Das ersparte ihm das Aufräumen und die gewonnene Zeit verbrachte er lieber mit ihr. Am Anfang hatte Paula ihn fragend angesehen, wenn Jan Gehacktes machte. Jan hatte ihr erklärt, dass er schrieb. An diesem Tag für eine große Zeitung und früher auch mal für dicke Magazine. So hießen die bunten Blätter, die Paula schon so manches Mal mit Wollust zerfleischt hatte. Paula legte ihre Stirn in Falten, was sie wie einen chinesischen Faltenhund aussehen ließ. Sie dachte nach. Darüber, was sie jetzt anstellen könnte? Jan hatte keine Zeit und Hanna war zum Einkaufen gefahren. Das war es! Paula würde auch schreiben. Einen Brief an ihren Züchter. Sie stand auf, ging nach nebenan in die Küche und stibitzte aus dem Feuerkorb ein flaches Brett. Vorsichtig trug sie es zurück auf ihre Decke und war darauf bedacht, Herrchen nicht bei der Arbeit zu stören. Doch Jan merkte gar nichts. Zufrieden packte Paula ihr Brett zwischen die Vorderpfoten und begann, mit ihren Eckzähnen kleine Kerben in das Brett zu hacken.

brett

„Hallo! Hier ist Paula. Kannst du dich noch an mich erinnern? Ich war die Kleinste in der Wurfkiste und ziemlich frech. Heute bin ich nicht mehr klein. Und nur noch manchmal frech.“ Paula nahm das Brett aus dem Fang und überlegte, was ihren Züchter sonst noch interessieren könnte. „Weißt Du, es geht mir hier sehr gut. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen. Ich kann in einem schönen Bett schlafen oder mich auf meine Spieldecke kuscheln. Meine Menschen lieben mich und mein roter Hase. Der hat immer offene Augen, am Tag und in der Nacht.“ Paula überlegte, ob sie die Wahrheit sagen sollte. Irgendjemandem musste sie das mal erzählen und Hanna und Jan wollte sie damit nicht belasten. „Manchmal erschrickt mich der Hase. Wenn es abends dunkel wird und das Licht angeht, dann funkeln seine Augen. Ganz gruselig. Aber am Tag ist er mein bester Freund und ich darf ihn sogar beißen. Der ist so tapfer, der weint nie. Puh, eigentlich wollte sie dieses Geheimnis für sich behalten, aber jetzt war sie sogar ein bisschen erleichtert. Sie nahm sich das Brett wieder vor und schrieb weiter. „Du musst mich mal besuchen kommen. Es ist total schön hier und es wird Dir gefallen. Hier gibt es einen großen Garten mit ganz vielen Bäumen und Blumen und Wiese und Käfern und Vögeln und Mäusen und Kaninchen und Schnecken und …“. „Paula, was machst Du denn da?“ Huch, jetzt hatte Jan sie entdeckt. Paulas Bick war die reinste Unschuld. Das Telefon klingelte und Jan war abgelenkt. Also machte sich Paula wieder an die Arbeit. „Dort kann ich immer spielen und wenn ich will, meine Knochen vergraben. Aber meist fresse ich sie mit Haut und Haaren auf, denn ich bin immer hungrig. Nach meinem Frühstück freue ich mich schon auf den ersten Keks. Deshalb bin ich immer ganz artig und komme sofort, wenn meine Menschen mich rufen. Hanna schenkt mir auch schon mal einen Apfel oder eine Karotte. Darauf freue ich mich dann auch. Und wenn ich ein Rinderohr bekomme, flippe ich aus vor Freude. Ich werfe es erst in die Luft und fange es wieder auf. Dann lege ich es vor mich und bete es an. Ich schnuppere daran und lecke ganz vorsichtig den Rand ab. Aber dann, dann zerbeiße ich es. Wenn es dunkel wird, heißt es Abendbrot. Weil der Abend dunkel ist. Ich verrate dir was: es gibt dann gar kein Brot! Wieso? Weiß ich doch nicht. Ist aber egal, denn es gibt viele schöne andere Sachen. Fleisch und Gemüse. Oder Nudeln mit Quark und Obst. Fisch und Reis. Oder fleischige Knochen. Ich glaube, das Abendbrot ist mein liebstes Fressen.“

Paula hatte eine Schreibblockade. Ein kleines Stückchen Holz hatte sich vom Brett gelöst und störte sie. Mit ihrer Zunge versuchte sie, den Störenfried los zu werden, aber der blieb hartnäckig. Herrchen Hilfe! Paula stupste Jans Knie vorsichtig an und hob den Kopf. Es dauerte eine Weile bis der begriffen hatte, was sie von ihm wollte. Und dabei hatte sie den Fang ganz weit aufgerissen und dabei leise gewimmert. Schließlich konnte Jan den Übeltäter entdecken und Paula davon befreien. Danke Herrchen, dachte Paula und leckte ihm dabei die Hand. Zurück auf ihrer Spieldecke wollte sie ihren Brief schnell zu Ende bringen und dann ihr Brett zurück in den Feuerkorb bringen. Brennen sollst du, dachte Paula und nahm es vorsichtig in den Fang. „Und ich liebe Wasser. Aber das hast du sicher schon vor mir gewusst. Pfützen sind schön und der Teich im Wald. Am Strand ist nicht nur viel Sand, sondern auch ein Meer und manchmal schwimme ich bis nach Dänemark. Na ja, nicht ganz. Frauchen meint, ich sei ein Seehund. Und dabei bin ich doch ein Labrador, oder? Über eine Antwort würde ich mich freuen. Mach‘s gut, ich muss jetzt Schluss machen. Deine Paula.“  Puh, das war harte Arbeit gewesen, im wahrsten Sinne des Wortes. Jetzt musste sie nur noch schnell das Stück Brennholz entsorgen, bevor Herrchen mit ihr schimpfte.


 

Kapitel 4

Paula! Wenn Liebe einen Namen trüge, dann wäre dieser ganz sicher Paula - das sagte jedenfalls Frauchen immer. Paula, die schokobraune Schönheit. Warum sagen die Menschen eigentlich immer, dass braune Labrador Welpen ziemlich „durchgeknallt“ wären? WEIL SIE ES EINFACH SIND! Nun, wo Paula fünf Jahre alt war, waren Jan und Hanna manchmal versucht, die Welpenstreiche ihrer Paula zu vergessen. Aber noch immer sorgten Die „Paula-Geschichten“ bei Freunden von Hanna und Jan für herzliches Lachen. Obwohl sie schon oft die Anekdoten aus dem Leben dieses Labradors gehört hatten, fanden sie doch immer aufs Neue Spaß daran.

Als Hanna an diesem Abend ein Feuer im Ofen anzünden wollte, fiel ihr wieder das zerspante und durchlöcherte Brett ein, welches sie einige Jahre zuvor im Feuerholzkorb gefunden hatte. Damals hatte sie Jan gefragt, ob er das Holzbrett in den Korb gelegt hätte und als er verneinte, hatte Hanna Paula tüchtig gelobt, weil sie das Holz wieder ordentlich in den Korb geräumt hatte. Paula hatte glücklich und irgendwie stolz ausgesehen. Wie es manchmal im Leben ist, fallen einem zu unmöglichen Zeiten wieder kleine Begebenheiten und Erlebnisse ein, ohne dass es eines besonderen Anstoßes bedurft hätte. Mit einem leisen Lächeln setzte Hanna sich in den gemütlichen Sessel am Ofen und schaute Paula liebevoll an. Einmal, ganz am Anfang, hatten sie Paula fast verloren und Hannas Gesicht wurde bei der Erinnerung daran ernst und nachdenklich. Paula war noch ganz jung gewesen. Es muss etwa um die Zeit gewesen sein, als sie das Brett mit den Zähnen getackert und anschließend zum Brennholz gelegt hatte.
Damals hatte Paula versehentlich und in Unkenntnis eine Wespe beim Trinken aus einer Wasserschale im Garten verschluckt. Die Wespe musste wohl hilflos in dem Wassergefäß gestrandet sein und in ihrer eigenen Angst wurde sie dann noch von Paula verschluckt und stach sofort zu. Weder Hanna noch Jan merkten etwas, bis Paula anfing, wie verrückt immer im Kreis zu laufen. Sie winselte nicht,  nein! Sie ist schließlich ein tapferes Hundemädchen. Sie rannte einfach nur. Rannte und rannte. Irgendwann musste sie sich schrecklich übergeben. Jan und Hanna hatten damals fassungslos im Garten gestanden und überlegt, was Paula wohl haben könnte. Als die aber immer verrückter rannte und sich dann auch noch übergab, schnappte Jan den Hund und fuhr sofort zum Tierarzt. Dort stellte der Arzt fest, dass Paula einen Wespenstich im Rachen hatte und die Luftröhre zuschwellen wollte. Paula bekam sofort Kortison verabreicht und musste für einige Stunden beim Doktor in der Kühlkammer liegen, bis sich ihr Zustand stabilisierte.

freund7

Hanna und Jan machten sich schreckliche Vorwürfe damals, dass sie die Trinkgefäße draußen nicht regelmäßig auf Insekten kontrolliert hatten. Aber sie mussten einsehen, dass man nicht rund um den Tag restlos alle Gefahren für Paula würde ausräumen können. Paula hatte es gut überstanden. Bereits am Abend wurde sie wieder nach Hause geholt und am darauffolgenden Tag war Paula wieder ganz die Alte. Munter, neugierig und quirlig. Diese aufregende Geschichte hatte aber doch sein Gutes: Paula rührte nie wieder ein Insekt an. Sie jagte nichts, was flog und trank niemals wieder aus einer Wasserstelle in der ein Tier herum schwamm. Vielleicht verstehen Tiere also doch mehr als wir erahnen und vermuten? Nun ja, sie jagte nichts war nicht die reine Wahrheit. Denn wie jeder Hund jagte auch Paula alle Kaninchen, die sich in ihrer Nähe blicken ließen. Natürlich verlor Paula jedes Mal, aber das machte ihr nichts aus. Sie hatte einfach Spaß daran. Auch an Mäusen hatte sie ihre Freude. Sie konnte sich ganz platt vor ein Loch oder einen Spalt in einer Mauer legen und warten. Blieb die Maus wo sie war, hatte sie Glück gehabt. War sie allerdings eine von diesen klitzekleinen und besonders vorwitzigen Mäusen, dann war das Glück auf Paulas Seite. Erwischte sie eine, zerbiss sie sie nicht etwa. Niemals, denn schließlich liebte Paula Mäuse. Sie nahm diese kleinen Biester in ihren Fang und setzte sie wieder ab. Leckte ein paar Mal darüber und nahm sie wieder auf. Legte sie ab und stupste sie mit ihrer Gumminase an. So als wollte sie prüfen, ob ihr Spielzeug noch lebendig sei. Und irgendwann war die Maus dann tot. Kein Haar hatte Paula ihr gekrümmt. Sie war einfach einem Herzinfarkt erlegen. Am Strand liebte Paula es, wenn Jan ihr das Kommando „putz sie weg“ zurief. Denn dann stürzte Paula sich in die leichte Brandung und schreckte sämtliche Möwen auf, die dort gemütlich auf den Wellen geschaukelt hatten. Mit schrillem Geschrei flogen sie davon und Paula kehrte mit leuchtenden Augen zu Jan zurück. Nacktschnecken hatte Paula im wahrsten Sinne des Wortes probiert. Stundenlang pulte Jan ihr mit einem Zahnstocher die schleimigen Reste aus den Zähnen.

Doch eines Tages traute Hanna ihren Augen kaum. Sie stand in der Küche und füllte Wasser in eine bauchige Kanne. Sie war alleine und doch war ihr, als hätte sie links neben sich eine Bewegung wahrgenommen. Sie schaute zur Seite und was sie sah war einfach unglaublich. Paulas Wassernapf hatte sich in einen Whirlpool verwandelt, denn darin schwamm ein Frosch, der den Napf mit heftigen Bewegungen zum Überlaufen brachte! Hanna hatte sofort nach Paula gerufen und als diese neugierig um die Ecke schaute, wies Hannas Zeigefinger auf den Frosch. Sie musste kein Wort sagen, denn Paulas Blick sprach Bände. Was denn? Frösche lieben Wasser. Paula war so intelligent. Auf ihren Spaziergängen sprach Paula mit Hanna und Jan. Sie lief eine Weile neben ihnen her oder auch schon mal ein Stück voraus. Kamen sie aber an eine Abzweigung, blieb Paula stehen, schaute ihre Menschen an und fragte „darf ich?“ Das war erstaunlich, denn niemand hatte es Paula beigebracht. Sie fragte immer, entweder nach dem Weg oder wenn sie einen besonders tollen Stock mitnehmen oder schnell mal in den Bach oder Teich hüpfen wollte. Und selbstverständlich verstand sie die Antworten darauf ganz genau. Bei einem NEIN blieb sie stehen und bei einem JA tobte sie los. Und war ihr erlaubt, den begehrten Stock mitzunehmen, dann trug sie ihn stolz den ganzen Weg nach Hause.  

boomer klein


Paula liebte es, Dinge zu apportieren. Sie war nicht darauf trainiert worden, doch im Spiel lernte sie schnell worauf es ankam. Im Vergleich zu anderen Hunden besaß sie allerdings kaum Spielzeug. Lediglich ein Kautschukball und ein Ring aus demselben Material standen ihr zur Verfügung. Da aber jeweils nur eines dieser Teile im Einsatz war, freute Paula sich beim Anblick des wochenlang versteckt gewesenen Balls ebenso sehr wie über den Ring, wenn der plötzlich aus der Versenkung auftauchte. Der Überbringer des Objektes war dann jedes Mal der Größte. Oder die Größte, je nachdem. Ja, Paula war ein Labrador durch und durch! Mögen viele Menschen behaupten, dass ein Hund den Menschen nicht verstehen würde. Selbst versierte Hundetrainer sagen oft zu ihren Kunden: „Texte den Hund nicht zu, denn er versteht es ohnehin nicht!“ UNWAHR! Gerade Retriever, und damit auch Paula, besitzen die Fähigkeit, Sätze zu verstehen und Aufforderungen umzusetzen. Für Paula war es das Größte, bei ihren Menschen zu sein und so war es nicht weiter verwunderlich, dass Paula gern zu Hannas Füßen lag wenn diese kochte. Einerseits sicher darum, weil Paula einfach gern bei ihrem Frauchen war, anderseits aber auch, weil hin und wieder mal etwas Essbares auf die Erde fiel und Paula dann mit fragendem Blick Hanna anschaute, bis die ihr erlaubte, das Teil zu fressen. Wenn Hanna aber sagte: Paula geh doch bitte mal an die Seite, dann stand Paula sang- und klanglos auf und legte sich an einen anderen Platz in der Küche. Hanna konnte Paula auch morgens ins Schlafzimmer schicken, um Jan zu wecken. Zuverlässig marschierte Paula dann los und weckte ihr Herrchen je nach Stimmungslage mal stürmisch und fast schon leidenschaftlich und manchmal auch sanft und sehr liebevoll. Liebevoll war für Jan immer besonders schön. Paula kletterte dann vorsichtig auf das Bett, legte sich ab und beobachtete ihr Herrchen erst mal still und ausgiebig. Manchmal öffnete Jan die Augen einen winzigen Schlitz und beobachtete seinerseits innerlich lächelnd seine Paula. Irgendwann robbte Paula dann zu Jan und begann, sein Gesicht liebevoll mit ihrer kalten und feuchten Nase zu beschnuppern. Sie fuhr dabei sanft über seine Augenlider, seine Wangen, seine Ohren und dann erkundete die Nase Herrchens Mund. Dann begann Paula Herrchen zu putzen. In bester Labrador-Manier tat sie das gründlich und sehr, sehr sorgfältig und zwar so lange, bis Jan lachend rief: „Hör auf Paula, sonst brauche ich gar nicht mehr ins Bad zu gehen.“ Wenn Paula dann sah, dass Jan wach war, gab es im Bett ein kleines Freudentänzchen. Sie legte sich auf die Vorderpfoten und spielte Jan wuffelnd an, der Paula an sich zog und danach war oft eine wilde Toberei im Gange und Hanna musste zuweilen lachend eingreifen. Gern marschierte Paula anschließend mit Herrchen ins Badezimmer. Allerdings durfte sie dort nicht oft mit hinein, nachdem sie einmal blitzschnell mit in die Dusche gehüpft war, um das morgendliche Beautyprogramm zusammen mit Jan zu absolvieren. Aber: Egal wie gut Paula ihre Menschen verstehen konnte - oder vielleicht gerade deswegen - verweigerte sie hundegerecht auch manchmal den Gehorsam und versuchte, ihren eigenen Kopf durchzusetzen...!

BOOMER Labrador-Hndin 2

 „Paula!“ Hanna hatte jetzt schon zum wiederholten Male nach der Hündin gerufen, doch Paula blieb verschwunden. Erst vor einer kleinen Weile hatte Hanna sie im Garten vor den Staudenbeeten gesehen. Doch als sie jetzt nach draußen schaute, war dort alles still. „Pauuuuuuuuuuula!“ Wieder nichts. Sehr ungewöhnlich, denn auch wenn man sie nicht sehen konnte, so verriet sie sich meist durch ihre wedelnde Rute, die dem Phlox fröhlich um die Ohren fuhr. Der Phlox stand wie eine Eins und nur das spätsommerliche Gesumme der der heimischen Flugkörper war zu hören. Jetzt wurde Hanna unruhig. Wie dumm, dass Jan nicht hier war. Sie trocknete ihre Hände mit dem rotkarierten Geschirrtuch, fuhr sich nervös durch das Haar und lief die drei Stufen zum Garten hinab. Da in den Beeten alles ruhig war, ging sie zunächst einmal ums Haus, doch auch im Vorgarten war nichts von Paula zu sehen. Vor, hinter und auch im Schuppen: keine Spur von Paula. Hanna verspürte ein flaues Gefühl in der Magengrube, sie brauchte Hilfe. Mit großen Schritten lief sie zurück ins Haus und zum Telefon. Jan meldete sich sofort und sie berichtete hastig von Paulas Verschwinden. Er versprach, sofort nach Hause zu kommen. Hanna ging wieder nach draußen und setzte sich auf eine der Treppenstufen. Wo konnte dieser Hund bloß sein? Sie war jetzt nicht nur in Sorge, sondern sie war auch sauer. Wie konnte Paula ihr das antun? „Pauuuuuuuuuuuuula!“ Und dann hörte sie es. Zugegebenermaßen ein sehr leises Geräusch, das eher zu einer Maus als zu Paula passte. Hanna konzentrierte sich und ging in die Richtung, aus der sie die Laute vernahm. PAULA! Da lag dieser verdammte Hund mitten auf dem Komposthaufen und kaute laut schmatzend auf einem alten stinkenden Knochen herum. JAN!! Na, der konnte was erleben! Hatte sie ihm nicht schon hundert Mal gesagt, dass Knochen nicht auf den Kompost gehörten? Doch er hatte nur erwidert, die seien für die Löwen, falls mal welche vorbei kommen sollten. Männer!


Kapitel 5

Ein paar Wochen später kam Hanna vom Einkaufen zurück. Sie war schwer bepackt und froh, dass ihre Beute so reichlich ausgefallen war. Hanna liebte es auf dem Wochenmarkt einzukaufen und meist wurde es mehr als geplant. Doch sie traf keine Schuld. Schuld waren die Händler an ihren Marktständen, die es nur allzu gut verstanden, ihre Ware frisch, bunt und appetitlich anzupreisen. Dem üppigen Angebot an Obst und Gemüse, Fisch und Käse konnte sie einfach nicht widerstehen. Paula lag in der Küche und döste. Sie hatte kaum den Kopf gehoben, als Frauchen hereinkam, klopfte aber zur Begrüßung mit ihrer Rute ein paar Mal halbherzig auf den Küchenboden. „Hallo Paula, schau mal, was Frauchen Dir mitgebracht hat!“ Mmh, Aprikosen. Paula liebte Aprikosen ebenso wie Pfirsiche, Pflaumen, Erdbeeren, Himbeeren, Blaubeeren, Bananen, Äpfel, Möhren, Rosenkohl, Kohlrabi … „Bleib liegen Süße, ich bringe sie dir.“ Herrlich, so ein Hundeleben. Hanna teilte die Frucht, entnahm ihr den Kern und hielt sie Paula hin. Mmh, die war wirklich lecker.

Hanna widmete sich wieder ihrer Beute. Sie verstaute den Käse und die Milch schnell im Kühlschrank. Aus der Speisekammer holte sie verschiedene Körbe, in denen sie ihre Obst- und Gemüsevorräte aufzubewahren pflegte und die auf frische Ware warteten. Plötzlich stutzte sie. Hanna hatte gerade einen Salatkopf ausgepackt, den der Händler in eine Zeitungsseite gewickelt hatte. Und ihr Blick fiel dabei auf eine kleine Anzeige oben rechts in der Ecke. Sie las „Pflegestelle gesucht!“ Hanna zog sich die Zeitung näher heran um zu schauen, von wann das Blatt war und aus welchem Anzeiger es stammte. Es war eine noch recht neue Ausgabe der kleinen Lokalzeitung und Hanna schaute sich die Anzeige aufmerksam an. Ein Tierschutzverein suchte „Pflegestellen“ für Retriever. Was mochte wohl dahinterstecken? Zunächst nur eine Telefonnummer und der Verweis, dass man anrufen möge, um mehr zu erfahren. Als Hanna alle Einkäufe endgültig verstaut hatte und bei einer Tasse Kaffee am Küchentisch saß, siegte die Neugier. Sie griff zum Telefon und wählte die angegebene Nummer. Hanna hatte ein wenig ein mulmiges Gefühl im Bauch, weil sie eigentlich erst mit Jan hätte sprechen sollen. Letztlich sagte sie sich aber, es sei ja nur aus Neugier und da sowohl sie, als auch Jan Retriever liebten, konnte es wohl kaum schaden. Nach kurzem Anläuten meldete sich eine Dame mit freundlicher Stimme, nannte den Namen des Vereins und rief ein fröhliches „Hallo!“ in den Hörer. Hanna holte tief Luft und erzählte von dem Zeitungsinserat, auf welches sie gestoßen war und bat die nette Dame ihr zu erklären, was eine Pflegestelle sei und warum man ausgerechnet Pflegestellen für Retriever suchte. Dieses erste Telefonat dauerte lange. Sehr lange!

Unbenannt

Hanna erfuhr, dass der Verein sich um Retriever kümmerte, die eigentlich niemand mehr haben wollte, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Sie hörte von Hunden, die mit ihren Besitzern älter geworden waren und die wie ein Paar gebrauchte Schuhe entsorgt werden sollten. Sie hörte Geschichten von der voreiligen Anschaffung eines Hundes, die sich dann als Desaster für Tier und Mensch entwickelte. Die Dame erzählte ihr von Hunden, um die im Zuge eines Scheidungsverfahrens erbittert gestritten wurde, deren Wohlergehen offenbar dabei niemand kümmerte. Hanna hörte aber auch sehr traurige Geschichten. Von Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen ihren Hund nicht behalten konnten und von Familien, die durch soziale Not nicht mehr in der Lage waren, ihr Tier gut und ausreichend zu versorgen. Hanna war voller Mitgefühl. In erster Linie für die Hunde, aber am Ende auch für die zuletzt genannten Menschen und Familien. Wie schrecklich musste es sein, die geliebte Gumminase aus finanziellen Gründen abgeben zu müssen? Niemals könnte sie das, eher würde sie trocken Brot essen. Die Dame am anderen Ende ahnte vermutlich, wie es Hanna gerade ging. Doch Schonung konnte sie sich nicht leisten. Sie berichtete ausführlich von Anlagen, in denen die Produktion von Welpen aus reiner Profitgier betrieben wurde. An dieser Stelle hatte sie ein Déjà-vu. Obwohl sie kaum glauben konnte, geschweige denn glauben wollte, was sie da hörte, fühlte sie sich an die Zeit erinnert, als sie selber mit Jan nach einem Welpen gesucht hatte. An die dubiosen Anzeigen und die Orte, die sie besucht hatten. Sie legte den Hörer auf und hatte Tränen in ihren Augen. Und einen Entschluss gefasst.


Kapitel 6

Paula lag auf dem Sofa. Nicht, dass sie dort liegen durfte. Sie lag einfach da. Ihre braune Nase hatte sie tief in die blau-weiß-karierten Polster gesteckt und in ihrem Plan hatte sie vorgesehen, dass sie so niemand entdecken würde. Auf dem Sofa, das sonst von Hanna und Jan besetzt war, lagen jede Menge Kissen. Quadratische und rechteckige, blau-weiß gestreifte und rot geblümte. Hanna hatte ein Faible für unterschiedliche Muster, die erstaunlicherweise stets harmonierten. Paula waren die Kombinationen egal. Für sie hatten die Kissen eine andere Priorität. Erstens dienten sie der Deckung und zweitens rochen sie so gut. Und so lange sie niemand erwischte, fühlte sie sich wie die Prinzessin auf der Erbse.

boomer schlft

„Weißt Du Hase, ich bin ein glücklicher Hund“. Paula hatte keine Ahnung, was das bedeutete, aber ihr gefiel das Wort. Glück, Glück, Glück. Ganz sicher war es etwas sehr Schönes. „Jan macht es total glücklich, wenn ich ihm seine Zeitung bringe. Er lacht dann immer ganz laut und lobt mich. Brave Paula, sagt er dann.“ Der Hase schaute Paula mit großen Augen an. Er verstand offensichtlich nur Bahnhof. „Hanna ist glücklich wenn Jan sie in den Arm nimmt. Dann glänzen ihre Augen ganz doll.“ Paula legte ihre Stirn in Falten. Sie musste nachdenken. Darüber, ob auch sie glücklich aussah. „Hase, sehe ich glücklich aus?“ Der rote Hase starrte sie immer noch verständnislos an. Und auch jetzt sagte er kein Wort. Paula war jetzt ärgerlich. Aber auch wenn Hase nicht antwortete, wusste sie, dass sie glücklich war. Manchmal war so ein Gefühl in ihrem Bauch. Ein ganz leichtes Kribbeln, das sich vermutlich erst einmal durch einen Berg von Hundekuchen kämpfen musste, damit sie es wahrnahm. Dann wurde ihr Bauch von innen ganz warm und das musste das Glück sein. Paula spürte diese Wärme immer dann, wenn Hanna oder Jan sie lobten. Oder auch dann, wenn Jan sie zärtlich hinter den Ohren kraulte. Oder wenn sie ganz alleine im Garten war und unbemerkt einen kleinen Vogel beobachtete. Dann war sie einfach glücklich. Und hatte Hanna nicht erst gestern gesagt, Paula sei ihr ganzes Glück? Also war sie ein glücklicher Hund. Ganz bestimmt sogar.

„Hiiiiiiilfe!“ Niemand hörte ihn. Wenn er sich nicht bemerkbar machen konnte, würde er einfach verschwinden. Einfach so. Während er versuchte, sich mit aller Kraft frei zu strampeln, wurde der Spalt unter ihm immer größer. Die weiche Masse unter ihm hielt bereits seine Beine und einen Teil seines Rumpfes gefangen. „Hiiiiiiiilfe!“ Zunächst meinte er, eine Antwort auf sein Schreien zu vernehmen, doch außer einem leichten, undefinierbaren Brummen war es still. Totenstill! Mit heftigen Bewegungen kämpfte er weiter gegen diese Weichheit, die ihn mit blumigen Versprechen umfangen hielt. „Komm mit“, hörte er sie flüstern, „bei mir ist es sehr gemütlich.“ Er rutschte weiter abwärts, ein Schlund aus festem Gewebe hielt seine Schultern fest umklammert. Die Angst hatte seine Ohren feuerrot werden lassen, jedoch aus seinem Gesicht war jegliche Farbe gewichen. Er wünschte sich, er wäre nicht aus Frottee.
„Hase?!“
Paula war völlig außer Atem. Sie war vor lauter Glück eingeschlafen und im Traum mit ihrem Freund in den Wald gerannt und plötzlich war er verschwunden … „Wo warst Du denn nur?“ Glücklich leckte Paula in von unten bis oben ab. Glück musste man haben, dachte der Hase und nahm das kleinere und ziemlich nasse Übel gern in Kauf.

doglover

Ein paar Tage später saß Hanna in der Küche. Paula hatte sich in ihren Korb verzogen und beide warteten sie auf Herrchen. Jan hatte sich etwas verspätet, und das gerade heute. Hanna stand auf und schaute aus dem Fenster. So, als könne sie Jan herbei sehen. Und endlich hörte sie sein Auto. Kurze Zeit später hatte Paula Gelegenheit, über ihr Herrchen herzufallen und Hanna ließ den beiden erst einmal Zeit. Sie hatte Teewasser aufgesetzt und füllte ein paar Löffel von ihrem Lieblingstee in einen Filter. Hanna holte zwei Keramikbecher aus dem Küchenbord, auf denen „Dog Lover“ stand und die mit einer Hundepfote verziert waren. Als der Tee dampfend vor ihr und Jan stand, forderte sie seine ganze Aufmerksamkeit. „Was ist los“ fragte Jan, der Hannas Nervosität spürte. Hanna holte tief Luft und dann sprudelte es aus ihr heraus. „Wir bekommen Nachwuchs. Ich weiß noch nicht, was es wird, aber Du wirst es lieben. Da bin ich mir ganz sicher. Und Paula natürlich auf, Du wirst sehen. Das bisschen mehr an Arbeit schaffen wir mit vereinten Kräften. Und sehr viel mehr Geld kostet es auch nicht. Oh Mann, hoffentlich ist es bald soweit. Ich kann es kaum erwarten.“ Jan sah jetzt genauso aus, wie Paulas Hase. Mit großen Augen saß er stumm seiner Frau gegenüber und konnte es nicht fassen. Nachwuchs? Sein Blick wanderte über ihren Körper und er fragte sich, ob er etwas so Wesentliches verpasst haben könnte? „Hanna! Hanna, nun beruhige Dich mal. Was, bitte, meinst Du damit?“ „Ich meine, dass wir am Wochenende Besuch bekommen. Die machen eine Vorkontrolle bei uns, weil sie sehen wollen, ob hier alles in Ordnung ist. Und natürlich wollen sie auch sehen, ob wir gute Eltern sein werden.“ „HANNA!“

Paula lag auf ihrer Decke, hatte sich flach auf den Boden gedrückt und legte Besorgnis in ihren Blick. Kein Hund konnte es leiden, wenn Frauchen und Herrchen stritten. Nachwuchs! Was mochte das wohl sein? Paula wusste, dass ihre Krallen manchmal wegen etwas wie Nachwuchs geschnitten werden mussten. Oder wenn sie sich eine kleine Verletzung beim Toben zugezogen hatte, dann ging es beim Thema Nachwuchs um ihr Fell. Aber das konnte Frauchen doch nicht gemeint haben.


Kapitel 7

Paula hatte keine Lust mehr. Jetzt saß sie schon seit einer geschlagenen halben Stunde in der Küche und sah aus wie ein Geschenk. Hanna hatte ihr ein Halstuch umgebunden, weil heute ein ganz besonderer Tag war. Sie sah sich nach Hase um, der sich unter einem der Stühle versteckt hatte. Denn eines war klar: wer als Hase eine Schleife tragen musste, wurde auch in Goldpapier gepackt. Und darauf konnte er gut und gerne verzichten. Leise flüsterte Paula „Hase, bist du da?“ Sie wusste, dass er nicht antworten würde, aber sie wollte ihm trotzdem erzählen, was sie bewegte. „Jetzt wird bestimmt alles anders, meinst Du nicht auch?“ Paula machte sich ernsthaft Sorgen. Inzwischen wusste sie, was Nachwuchs war, aber sie wusste nicht, ob sie sich darüber freuen sollte. Was, wenn die doof war? Oder so lieb, dass alle sie noch mehr liebten als sie? Paula hatte ein bisschen Bauchweh. Andererseits wäre es zu zweit vielleicht auch ganz lustig. Wenn die nett war, könnten sie zusammen in den Wald laufen oder im Garten spielen. Später, wenn sie vielleicht Freunde wären, würde sie ihr vielleicht sogar den Weg zum Komposthaufen zeigen. Jetzt war Paula erst recht aufgeregt. Sie lief aus der Küche und suchte Hanna.

tuch

Hanna war mindestens so aufgeregt wie Paula. Während Jan, der an seinem Schreibtisch saß, die Ruhe selbst war, rannte sie permanent im Haus herum, schüttelte hier mal ein Kissen auf und wischte dort einen imaginären Fussel vom Tisch. Und zwischendurch lief sie immer wieder zum Fenster und schaute zum Gartentor. Sie machte sich selbst verrückt, das wusste Hanna. Vor einer Woche hatte abends das Telefon geklingelt und die Dame vom Verein war dran. „Gute Nachrichten, Hanna. Wir haben eine Hündin für Sie.“ Oh mein Gott, so schnell hatte Hanna gar nicht damit gerechnet. Aber sie freute sich und wollte gleich mehr wissen. Die Informationen kamen im Telegrammstil: Es ging um JULE, eine Abgabehündin. 3 Jahre alt, schokofarben, gesund, kastriert, sensibel, ansonsten unauffällig - aber einsam. Ihre Besitzer hatten Nachwuchs bekommen, der ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit verlangte. So jedenfalls lautete deren Begründung. Sie wollten Jule so schnell wie möglich loswerden.  In Hannas Brust machte sich Empörung breit, doch die Stimme aus dem Telefon beruhigte sie. „Wissen Sie, Hanna, man kann nur froh sein, dass sich die Leute an uns wenden. Es gibt genügend andere, die ihren Hund in einer solchen Situation in ein Tierheim bringen oder einfach an einen Laternenpfahl binden.“ Wohl wahr, da hatte Jule Glück im Unglück. Sie vereinbarten noch einen Übergabetermin und dann legte Hanna auf. Jule! So ein hübscher Name. Sie war schrecklich gespannt auf ihre Pflegehündin und jetzt sollte sie noch eine Woche warten.

Endlich! Da stand sie vor dem Gartentor. Jule! Hanna stürmte zur Haustür und riss sie auf. Paula sah Jan an und der schüttelte lächelnd den Kopf. „Das ist unser Frauchen“ sagte er, während Paulas Rute heftig die Luft in Scheiben schnitt. Oh, sie war so aufgeregt. Hanna, die in der  vergangenen Woche irgendwie schwanger gewesen war, hatte sich auf diesen Moment sehr gut vorbereitet.  Gleich nach dem Anruf mit der Ankündigung war sie los gefahren, um einen wunderschönen Liegeplatz für Jule zu kaufen. Eine kuschelige Kudde mit einem gemütlichen blauen Muster. Dazu gab es noch ein zusätzliches Liegekissen für den Kopf. Hanna konnte auch nicht widerstehen und kaufte auch noch Halsband, Leine und ein Geschirr für den Neuzugang. Natürlich würde Jule mit Leine und Geschirr vom Verein einziehen, aber Hanna hatte das Gefühl, dass ihr erster Pflegehund eine ganz besondere Ausstattung haben sollte. Sogar eine kleine Metall-Plakette mit der Telefonnummer von Hanna und Jan sowie dem Namen JULE ließ Hanna bei einem Schlüsseldienst anfertigen. Man konnte ja nie wissen…! Jan hatte nur den Kopf geschüttelt und gemahnt: „Lass es nur nicht zu weit gehen. Jule wird nur eine Weile bei uns leben und dann in ein neues Zuhause ziehen.“ Und dabei hatte Hanna noch gar nichts vom Hasen erzählt. Denn auf der Autofahrt zum Futtermittelhandel dachte Hanna darüber nach, welch ein guter Kumpel Hase für Paula war. Hase war immer dabei und schien ein Vertrauter von Paula zu sein.  Und Jule? Wie musste sie sich fühlen? Ausgestoßen und das fünfte Rad am Wagen. Sicher tat es dem Tier unendlich weh und sie hat es auch ganz sicher nicht verstehen können, warum sie ihre Familie verlassen musste. Dabei hätte Jule das Baby großartig gefunden und sie hatte sich bereits vorgenommen, ganz tüchtig auf das kleine Wesen acht zu geben. Ja, und dann kamen fremde Menschen und holten sie von ihrer Familie ab. Warum? Jule würde es wohl niemals verstehen können. So waren Hannas Gedanken kreuz und quer gelaufen und sie entschloss sich kurzerhand, dass auch Jule einen eigenen Hasen haben sollte. Um jegliche Eifersucht bei Paula zu vermeiden, kaufte sie für Jule eine Häsin. Eine dicke rosa Schleife zierte den Hals des Kuscheltiers, das ein kariertes Kleidchen trug  und einen Platz in Jules neuer Kudde finden würde.

Und nun war Jule endlich da. Brav war die Maus gewesen. Sie hatte die Fahrt friedlich verschlafen und nur manchmal war ein leises Seufzen aus dem hinteren Teil des Autos zu vernehmen. Es war geplant, dass die Zusammenführung von Paula und Jule im hinteren Teil des Gartens stattfinden sollte. Würden die beiden Freundinnen werden? Hanna bemerkte, dass Jan und Paula hinter ihr standen. Es konnte also losgehen und die „Operation Jule“ konnte starten.

Vorsichtig öffnete sich die Heck-Klappe des Wagens, aber Jule war ganz offensichtlich gut erzogen. Brav bleib sie sitzen, bis die Dame vom Verein ihr zu verstehen gab, dass es nun an der Zeit sei, auszusteigen und ihr Pflegeheim in Besitz zu nehmen. Der Moment war gekommen. Jetzt würde sich zeigen, wie die Hunde auf einander reagieren. Nachdem Jule durch das Tor in den Garten geführt worden war, nahm Hanna die Leine ab und ließ Jule frei laufen. Und es sah ganz mächtig nach bester Stimmung  aus.

Paula und Jule umkreisten sich freundlich und abschätzend. Sie schnüffelten, grunzten und… plötzlich lag Paula auf den Vorderpfoten und spielte Jule an, die fröhlich und entspannt diese Aufforderung annahm. Mit wildem Tempo rannten die Hunde in den Garten und begannen,  fröhlich miteinander zu toben und sich zu jagen. Es begann gut…!

zwei Braune

Jan schaute seine Frau an. „Du siehst irgendwie ein wenig fertig aus, Schatz?“ Doch Hanna antwortete leise „nein,  alles ist in Ordnung. Ich kann nur noch nicht damit umgehen, wie man ein so liebes Tier einfach abgeben kann. Außerdem bin ich gerade sozusagen Mutter geworden und daran muss ich mich wohl erst noch ein wenig  gewöhnen.“ Sie hakte sich bei Jan ein und gemeinsam schauten sie zu, wie Paula und Jule gerade den Garten untersuchten. Fast schien es, als würde Paula der neuen Gefährtin alles zeigen und erklären.

Zwei braune Labrador Retriever an einem sonnigen Nachmittag im Garten. Ein Anblick, an den sich sowohl Hanna, als auch Jan durchaus gewöhnen  könnten. Aber was dachte sich Paula? Paula hatte Jule gesehen und war begeistert. Plötzlich waren in ihrem Kopf Gedanken, die sie nie zuvor so gehabt hatte. Wie schön es sein würde, endlich mal mit einem anderen Hund den Abend zu verbringen. Den Garten gemeinsam zu untersuchen und in der Küche zusammen auf Beutezug zu gehen. Und das Herrchen am Morgen wecken, aber ab sofort zu zweit. Paula liebte ihre Menschen besonders und sehr innig und das würde auch immer so bleiben.

BB Pool

Aber zum ersten Mal in ihrem erwachsenen Leben spürte sie, dass die Verbundenheit eines Rudels für sie eine wundervolle Erfahrung sein würde. Es erinnerte sie ein wenig an die Zeit, als sie mit ihren Geschwistern und der Mama zusammen war. Immer hatte einer auf den anderen aufgepasst und immer gab es viel Spaß zusammen. Ihr  Instinkt sagte ihr, dass ein wirklich hündisches Leben genau so sein sollte. Aber er ließ sie auch ahnen, was das Wort Adoption und ein endgültig neues Zuhause für Jule bedeuteten. Paula musste nachdenken...


Kapitel 8

In dieser Nacht schmiedete Paula einen Plan. Sie wollte mit Jule für eine Weile davonlaufen. Nicht so richtig lange, aber eben doch  lange genug, damit sich Frauchen und Herrchen ordentlich Sorgen machen würden. Sie sollten schon sehen was man davon hat, wenn man Jule einfach adoptieren lassen will.

Paula wusste sehr wohl, dass diese Aktion Ärger bringen würde, und zwar viel Ärger. Das war ihr in diesem Moment aber egal, denn sie wollte nicht, dass Jule ging. Sie wollte die neue Schwester und Freundin nicht verlieren. Am Morgen weihte Paula Jule in die Pläne ein. Sie wollte Jule die Welt jenseits des Gartens zeigen. Manchmal hatte Paula sich getraut, allein dorthin zu gehen. Nie für so lange, dass Frauchen es merkte, aber eben hin und wieder. Paula spürte ein angenehmes Prickeln auf dem Rücken bei dem Gedanken, eine so gefährliche Unternehmung zu wagen. Frauchen hatte Paula immer wieder verboten den heimischen Garten zu verlassen. Dort draußen musste es also Dinge geben, die es wert waren, sie zu erkunden.

Nach einem ausgiebigen Frühstück machten sich Paula und Jule also aus dem Staub. Ein wahrer Labrador Retriever würde nie mit leerem Magen gehen und so marschierten die beiden Hunde gut gesättigt los. Erst schlichen sie leise am Zaun entlang und dann am Tor hinaus in die Freiheit. Nicht weit entfernt stand eine einsame Feldscheune. Dorthin liefen die beiden. Es roch rund um die Scheune ungeheuer gut und so inspizierten Paula und Jule, die Nasen fest an die Erde gedrückt, zunächst das Areal. Es roch nach Fuchs und dieser Geruch verschaffte den Hunden eine prickelnde Erregung. Mit zitternden Flanken schnüffelten sie die Spur ab und mit einem einvernehmlichen Blick liefen sie der frischen Fährte nach. Paula lief voran. Sie hatte eine ausgezeichnete Nase und nahm noch das kleinste Tröpfchen Fuchswitterung auf. Jule war eigentlich nicht so interessiert, aber sie fand dieses neue Spiel irgendwie sehr spannend und Spaß machte es auch. Paula folgte dem Fuchsgeruch weiter und weiter über die Felder, entlang des kleinen Saumpfades am Wald und schließlich in den Wald hinein. Dort war es kühl und ein wenig dunkel. Und Jule fürchtete sich ein wenig.

„Meinst du nicht, dass sie sich Zuhause jetzt genug gesorgt haben? Sollten wir nicht langsam umkehren?“ Paula schüttelte den Kopf. Um keinen Preis der Welt würde sie jetzt die Verfolgung des Fuchses aufgeben. Im Grunde dachte sie im Jagdfieber nicht mal mehr an Frauchen und Herrchen. Die hatten sicher zu tun und man könnte ja auch noch später heimkehren. Erst kam der Fuchs!

Daheim schaute Hanna nervös aus dem Fenster. Es war Mittagszeit und sie hatte die Hunde eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Genau genommen konnte Hanna sich nicht erinnern, Paula und Jule nach dem Frühstück überhaupt noch gesehen zu haben. Sie hatte so viel Arbeit gehabt, dass sie irgendwie versäumt hatte, zwischendrin mal nach den Hunden zu schauen. Hanna suchte den gesamten Garten ab. Alle Lieblingsplätze wurden überprüft. Die Riesenblätter, der Holzstoß, die Beete im Nutzgarten, sogar der Komposthaufen – einfach alles. Hanna rief laut nach den Hunden, aber es kam keinerlei Antwort. Es herrschte mittägliche, ländliche Stille im Garten. Die Vögel piepsten, der Wind wisperte in den Blättern der Bäume und in der Ferne hörte man ein Flugzeug am Himmel. Aber kein Hundegebell, kein Geräusch schnuppernder Nasen und kein Tapsen von herannahenden Pfoten. Die Hunde waren und blieben verschwunden. Hanna lief nun zurück ins Haus und durchsuchte dort jeden Raum und jeden Winkel. Keine Paula und auch keine Jule. Undenkbar und unglaublich! Die Hunde waren sonst immer nah bei der Familie, es musste etwas passiert sein. Sie hörte von draußen ein Geräusch und stürzte zur Tür. Doch es war nur Jan, der eine schwere Kiste vor sich her trug und schimpfte. „Die Hunde sind weg!“ „Wie weg?“ „Sie sind nirgendwo zu finden und ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll.“ Jan stellte die Kiste auf die oberste Treppenstufe und schaute sich um. „Die können doch nicht weit sein. Ich setz mich gleich wieder ins Auto und suche sie.“ Doch wirklich beruhigt war Hanna nicht. Die Bundesstraße war nicht so schrecklich weit entfernt und sie mochte gar nicht daran denken, was passieren würde, wenn die Hunde bis dahin laufen würden. Sie fühlte eine große Angst in ihrem Herzen und vor ihren Augen tauchten immer wieder die Bilder von Paula und Jule auf.

2 unterwes

Indessen waren die Hunde noch immer hinter dem Fuchs her. Jule war inzwischen verdrießlich. Sie hatte Hunger, sie war müde und sie wollte Zuhause ein Schläfchen auf dem Sofa halten. Paula wollte aber auf gar keinen Fall heim. Im Wald fanden sie ein paar Beeren und jemand - vermutlich ein Wanderer - hatte ein abgebissenes Butterbrot liegen lassen. Nicht gerade frisch, aber doch noch genießbar. Einvernehmlich geteilt, stillte der kleine Imbiss den ersten Hunger. Jule hatte müde Beine und so beschlossen die Hunde, eine kleine Ruhepause einzulegen. Es dauerte auch nicht lange und die beiden lagen im Moos und schliefen ein. Die Sonne schien durch die Bäume und wärmte sie. Der Wald war still und harmonisch. Eine Fliege summte, es war kuschelig warm und es roch gut. Kein Wunder also, dass sie bald tief und fest schliefen. Als die Schwestern ihre Augen öffneten, waren die Schatten schon sehr lang geworden. Die Sonne wärmte nicht mehr und ein wenig steif standen Paula und Jule auf. Sie gähnten laut und vernehmlich und streckten sich ausgiebig. Jule schüttelte sich tüchtig. „Lass uns nun nach Hause gehen. Es wird Zeit und ich möchte pünktlich zur Abendmahlzeit in der Küche sein.“ Paula druckste ein wenig rum. „Ich glaube, ich traue mich nicht heim. Das gibt einen mordsmäßigen Ärger, glaube mir. Lass uns noch ein warten bis es dunkel ist. Vielleicht merken Hanna und Jan dann gar nicht, dass wir wieder da sind und bis morgen sind sie vielleicht auch nicht mehr böse mit uns.“ Jule hatte kein gutes Gefühl bei der Sache, aber letztlich gab sie doch nach. Paula kannte Frauchen und Herrchen doch besser und vielleicht war es ja richtig, sich da auf sie zu verlassen? Sie liefen also weiter in den Wald hinein. Tiefer und immer tiefer. Dabei merkten sie nicht, dass der Abend schon nah war und damit auch die Dunkelheit.

Daheim hatten Jan und Hanna inzwischen die Polizei vom Verschwinden der Hunde informiert. Sie hatten das Tierheim in der nächsten Stadt angerufen, die Nachbarn und ihre Freunde ebenfalls.  Hanna saß in der Küche und knetete ihre Hände. Sie weinte und war total ratlos. In ihrem Kopf spielte sich ein Horror-Szenario ab, in dem die Hunde einfach in ein fremdes Auto geladen und für immer fort gebracht wurden. Jan ging es nicht anders, aber er wollte seine Frau nicht noch mehr beunruhigen und so versuchte er einfach, gute Stimmung zu verbreiten und Hanna zu beruhigen. „Sicher sind die Mädels nur bei einem Nachbarshund und haben sich dort fest geschnüffelt. Oder sie besuchen die Pferde auf der Koppel. Warte nur ab, wenn sie Hunger haben, finden sie bestimmt nach Hause.“ In seinem Herzen sah es aber weit weniger zuversichtlich aus.

Unterdessen machte sich der Jungbauer Johannes mit seinem Jack Russell Terrier Mertens auf den Heimweg. Er war gut mit Hanna und Jan befreundet und hatte bei einem abendlichen Bierchen im Dorfgasthof davon gehört, dass Paula und Jule verschwunden waren. Er wollte den Heimweg nun auch dazu nutzen, nach den beiden Ausreißern zu suchen. Er wählte den Weg durch den Wald zurück zu seinem Hof, denn er vermutete, dass die Hunde vielleicht einer Spur gefolgt waren und dort noch herumliefen. Inzwischen war es dunkel geworden. Es hatte begonnen zu regnen. Johannes glaubte nicht, dass Mertens bei diesem Wetter eine Spur der beiden Mädels finden würde. Dennoch hoffte er, dass er selbst die Hunde vielleicht entdecken oder sie zumindest irgendwie hören könnte.Zielstrebig ging der junge Landwirt in das Waldstück, welches am dichtesten zum Haus von Jan und Hanna lag. Vielleicht waren die Hunde dorthin gelaufen sein?

Paula und Jule indessen steckten Wald und zwar dort, wo es inzwischen am dunkelsten war. Sie waren so weit gelaufen, dass sie sich verirrt hatten. Jule jammerte. Ihre Pfoten schmerzten vom ungewohnten Untergrund, sie hatte Hunger und tiefe Sehnsucht nach den streichelnden Händen von Hanna und Jan. „Meinst du, sie stecken uns in das, was die Menschen Tierheim nennen, wenn wir wieder zuhause sind? Meinst du, sie werden sehr, sehr, sehr, sehr böse mit uns sein?“ Paula legte Zweckoptimismus an den Tag. “Nein, natürlich tun sie das nicht. Sie lieben uns ja schließlich. Sie werden tüchtig schimpfen und es wird auch ganz sicher keinen Kauknochen zur Begrüßung geben. Mehr wird aber nicht passieren.“ Tief in ihrem Herzen war Paula aber nicht ganz so optimistisch. Es würde Ärger geben. Viel Ärger. Und den würde sie bekommen, denn schließlich hatte sie ja dieses Abenteuer ausgeheckt. Müde trotteten die Hunde durch das dunkle Dickicht. Kein noch so aufregender Geruch verschaffte ihnen ein prickelndes Gefühl. Ihre Mägen knurrten und sie hatten Angst. Jule hob plötzlich den Kopf und ihre Nase ging witternd hoch. von einem Mensc„Ich rieche etwas und ich höre Schritte!“ Auch Paula nahm den Geruch wahr und hörte die Geräusche. Und… sie roch einen Hund. Einen Hund, den sie kannte. Sie roch Mertens, den Terrier vom Bauern Johannes, der manchmal bei Jan und Hanna daheim der der Küche saß. Sie kannte Mertens gut, denn sie durfte immer mit ihm toben und spielen, wenn der junge Landwirt Frauchen im Herbst Einkellerungskartoffeln für die Winterküche brachte. Mit einem jauchzenden Quietscher nahmen die beiden Hunde die Verfolgung von Mertens und Johannes auf. Sie rannten. Schneller und schneller. Vergessen waren die müden Pfoten und in ihren Bäuchen kribbelte große Freude. Der Hunger war erst mal vergessen.

Zuhause saßen Jan und Hanna in der Küche. Hanna weinte bitterlich. Sie machte sich große Vorwürfe, weil sie am Morgen nicht oft genug nach den Hunden geschaut hatte. Außerdem hatte sie sich darauf verlassen, dass Paula das Grundstück niemals allein verlassen würde. Sorgsam hatten Hanna und Jan mit Paula geübt, dass sie nie allein loslaufen durfte. Jan hatte ein sehr flaues Gefühl im Bauch. Immer wieder glitt sein Blick über die verwaisten Liegeplätze der Hunde in der Küche. Es war so still im Haus. Kein Getrappel von Pfoten, kein leises Grummeln und überhaupt. Keine feuchte Nase, die sich an seinem Bein rieb oder ihn aufforderte, zu streicheln. Es war einsam. So schrecklich einsam. Sie hatten den ganzen Tag telefoniert. Alle waren informiert und doch war von den beiden Hunden keine Spur zu finden. Niemand hatte sie gesehen und niemand hatte sie gehört. Wie vom Erdboden verschluckt waren Paula und Jule. Eine Rückmeldung hatten sie noch nicht bekommen. Bauer Johannes stand unterdessen gerade im Wald und spitzte die Ohren. Er hörte hastiges Rascheln, begleitet von einem unverkennbaren Grunzen: Hunde! Die Dunkelheit sprang Johannes plötzlich und stürmisch an. Mertens drehte sich bellend im Kreis und plötzlich herrschte mitten im Wald ein wildes Kuddelmuddel. Das waren sie ja! Lachend streichelte der Landwirt den ersten Hund. „Paula, du alte Ausreißerin. Dieser Ausflug hätte aber bitter enden können, denn der Förster  duldet in seinem Revier keine streunenden Hunde! Er hätte euch vielleicht abgeschossen!“ Nun näherte sich auch Jule. Sie kannte zwar Johannes inzwischen auch, wusste dessen Reaktion aber nicht genau einzuschätzen. Jule duckte sich ab und zog vorsichtshalber die Rute unter den Bauch. Johannes hielt Jule sanft die Hand hin und redete beruhigend auf die Hündin ein „Komm her Julchen. Alles wird gut. Ich bringe euch jetzt nach Hause und dort wird man sich freuen, dass ihr wieder aufgetaucht seid.“ Mit einem leisen Pfiff holte der Jungbauer nun Mertens herbei und mit den drei Hunden zusammen machte er sich auf den Weg zurück aus dem Wald. Schon bald sahen sie in der Ferne die Lichter von Hannas und Jans Haus. Die Herzen von Paula und Jule begannen in der Brust zu hämmern und sie nahmen nun auch mehr und mehr die vertrauten Gerüche wahr. Als sie sich dem Haus näherten, begannen Paula und Jule aus voller Brust zu bellen. „Wir kommen. Wir sind da und wir laufen niemals wieder weg!“

In der Küche saßen Hanna und Jan bei einem Becher Tee, als sie den Lärm draußen auf dem Hof hörten. Hanna rief ausgeregt „Jan! Die Hunde! Die Hunde sind wieder da!“ und mit einem tiefen Schluchzer rannte Hanna zur Tür, riss sie auf und hockte sich auf den Boden, um kurz darauf von zwei sehr, sehr stürmischen und vom Regen nassen Labrador-Damen einfach umgeworfen zu werden. Feuchte Zungen leckten über Hannas Gesicht und warmer Hundeatem wehte in ihr Haar. Auch Jan wurde mehr als stürmisch begrüßte, abgeleckt und angestubst. Lachend stand Johannes dabei. Mertens schaute ein wenig neidisch, dachte dann aber nur „Weiber!“ und außerdem schätzte er als Rüde Gefühlsausbrüche nicht besonders. Aber so geknuffelt zu werden wäre doch wirklich auch mal ganz fein! Johannes begrüßte Jan mit einem kräftigen Handschlag. Hanna konnte er nicht begrüßen, denn sie weinte Krokodilstränen in das Fell der beiden Schokolabbis. In jedem Arm hatte Hanna eine Hündin und abwechselnd flüsterte sie Paula und Jule ins Ohr „ich lasse euch nie wieder los. “

Der Abend wurde lang. Johannes bekam erst mal einen ordentlichen, heißen Grog und eine Platte frisch zubereiteter, lecker belegter Häppchen. Die Hunde bekamen frisches Wasser und eine ordentliche Portion Fleisch und Gemüse und Mertens bekam einen Kalbsknochen für die Sucharbeit im Wald. Es war schon spät, als Hanna und Jan zusammen in der Küche am Ofen saßen. Die beiden Hunde schliefen tief und fest zusammen in einer Kudde. Jule träumte und rannte dabei. Paula schnarchte tief und gleichmäßig. Schelte hatte es für die Hunde nicht gegeben. Viel zu groß war die Erleichterung, dass beide Tiere wieder gesund und wohlauf daheim gelandet waren.

Hanna schaute Jan an, der ganz entspannt an seinem Rotwein nippte. „Du Schatz! Ich möchte niemals mehr ohne unsere Hunde sein. Meinst du nicht auch, dass wir Jule nicht mehr gehen lassen dürfen? Sie gehört zu uns und sie ist die Schwester von Paula geworden. Ich mag sie einfach nicht mehr hergeben. Und außerdem schätze ich, dass Paula auf die Idee mit dem Ausflug in den Wald gekommen ist. Wer könnte ab jetzt besser auf sie aufpassen als unsere Jule?“ Jan setzte dieses wundervolle, jungenhafte Grinsen auf, für das Hanna ihren Mann so sehr liebte. „Ich dachte mir schon, dass es so enden wird. Schon am Anfang, als Jule zu uns kam, sah ich das Leuchten in deinen Augen. Ich liebe Jule auch sehr und von mir aus können wir ab sofort gern Mehrhundebesitzer werden. Du musst es nur noch mit dem Tierschutzverein klären, ob wir Jule behalten dürfen.“

Und genau das tat Hanna gleich als Erstes am kommenden Morgen. Sie rief den Tierschutzverein an und bat darum, Jule behalten zu dürfen. Nach einer kleinen Weile, die das Gespräch dauerte, war die Sache erledigt. Jule durfte bleiben. Für immer. Sie durfte „ihre Jule“ werden und damit für immer die Schwester von Paula sein. Im Verlauf des Gespräches hatte die nette Dame von Tierschutz Hanna und Jan lachend als „Pflegestellenversager“ bezeichnet. Das seien Menschen, die einen Pflegehund nicht mehr gehen lassen konnten. In diesem Fall wollten Hanna und Jan gern mal in ihrem Leben als Versager da stehen.

Sonnex2

Hanna erzählte Jule gleich diese großartigen Neuigkeiten und es erschien Hanna, als würde Jule jedes Wort verstehen. Und sie hätte später schwören können, dass Paula verschmitzt ein Auge zugekniffen und damit Jule in stillem Einverständnis zugezwinkert hatte.

Und so geht die Geschichte von Paula und Jule in die zweite Runde. Die Geschichte eines langen und sehr, sehr glücklichen Labrador-Lebens!

ENDE von Teil 1

RATING:
(3 votes)
More in this category: « One Three »