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Mein Wort Reich

"Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen." ( Samuel Butler)

 

 

Mein Blog

Mein Blog (65)

 

 

 

In meinem Blog geht es um Worte. Worte, die jemanden glücklich machen, fröhlich stimmen oder trösten sollen. Natürlich auch mich selbst und deshalb schreibe ich hier all das hinein, was mir gerade in den Sinn kommt. Ich hoffe, Ihr habt Spaß dabei.

Mimi

March 5, 2016

Meine neue Freundin heißt Mimi. Mimi ist zu einer Hälfte Chinesin, zur anderen Französin. Außerdem Foodbloggerin mit einer eigenen TV-Sendung. Und sie schreibt Kochbücher. Doch das ist nicht alles. Mimi hat einen Mann, und der ist Fotograf. Wirklich praktisch, wenn man einen Fotografen sein eigen nennen kann. Außerdem hat Mimi sieben Kinder! Und fünfzehn Hunde! Und alle leben in Frankreich.

Ihrem Foodblog "Manger" folge ich schon seit längerer Zeit, obwohl ich noch nicht sehr viel Erfahrung mit der französischen Küche in meiner eigenen gemacht habe. Was mich an ihrem Blog fasziniert, ist die Optik. Sicher ist es einfacher, Food in einem Ambiente zu stylen, in dem schon der Rahmen wie ein Gemälde von Rembrandt anmutet. Jedenfalls einfacher, als das in einer modernen Küche möglich wäre. Aber ganz davon abgesehen, dass das von Mimi und ihrer Familie bewohnte Chateau im Médoc eine hinreißende Kulisse von unglaublicher Opulenz bietet, bewundere ich Mimi für ihren Look. Wer so wie ich am liebsten in Jeans und T-Shirt kocht (schon wegen der Hitze), kann sich kaum vorstellen, bei dieser Tätigkeit ein kleines Schwarzes zu tragen. Wie auch immer, Mimis Fotos machen an. Jedenfalls mich.

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Mimis Kochbuch habe ich mir selbst geschenkt. Es kam am Dienstag mit der Post, doch erst heute habe ich es ausgepackt. Obwohl ich mich so darauf freue, habe ich nur ein wenig darin geblättert. Erst wollte ich Euch schnell davon erzählen, bevor ich mich mit diesen über 300 Seiten auf mein Sofa begebe. Natürlich ist es in erster Linie ein Kochbuch, dessen unfassbar vielseitigen Rezepte saisonal und in unglaublich schönen Bildern präsentiert werden. Sofort möchte ich meine Küche umräumen, einen Korb mit Gemüse und Obst füllen, Schmalz in einem gusseisernen Topf zerlassen, Zwiebeln und Knoblauchknollen und einen Haufen Artischocken auf meinen Esstisch werfen und mir zum Geburtstag Stielkasserollen aus Kupfer wünschen. Die Fotos sind der Knaller! Gleichzeitig erzählt Mimi in diesem Buch von sich, ihrer Familie, ihren Hunden. Und die stimmungsvollen Bilder lassen die Schönheit der französischen Provinz, ihres Chateaus und des Gartens erahnen.

Auf dem Umschlag steht, dieses Buch sei "eine wunderbar charmante Liebeserklärung an das gute und schöne Leben auf dem Land". Wie geeignet dazu, eines meiner Lieblingsbücher zu werden. Und jetzt gehe ich aufs Sofa!

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Besetzt

February 25, 2016

Hier war ich ja schon lange nicht mehr! Armes, verwaistes Blog. Mir gehen so viele Dinge durch den Kopf, die hier gut aufgehoben wären. Doch wo soll ich anfangen?

Mit dem so sehr genossenen Urlaub zwischen den Jahren? In dem jeder Tag doppelt so lange scheint wie sonst im Jahr. Weil sich alles und jeder zurückzieht, unter eine warme Decke schlüpft und Atem holt. Umso schwerer fällt mir nach dieser so wunderbaren Auszeit der Start in das neue Jahr. Vielleicht auch deshalb, weil mich ein jährlich wiederkehrendes, wirklich tolles Projekt erwartet, das mich zwar das ganze Jahr über beschäftigt, dessen Endspurt nun aber noch bis Anfang Februar dauert und mein Hirn total besetzt. Rücksichtslos und ohne jeden Skrupel. Es ist schon wach, bevor mein Wecker morgens klingelt, sitzt neben mir im Auto und quatscht ohne Unterbrechung. Es begleitet mich von morgens bis abends, macht sich auf meinem Schreibtisch breit und lässt mein Telefon ununterbrochen klingeln. Es zwingt mich in endlose Listen und in das permanente Gefühl, etwas vergessen zu haben. Und wenn es am Abend mit mir aus dem Auto steigt, hockt es neben mir am Esstisch und wartet darauf, dass ich endlich fertig werde. Seine Forderung nach einem Zettel neben meinem Zahnputzglas ist unnachgiebig. Und ein Check meiner Mails unter der Bettdecke wird Pflicht. Und dann? Dann lässt es mich nicht schlafen, malt Bilder hinter meiner Stirn, lässt mich dann von Katastrophen träumen. Doch ich kann sicher sein, dass es mich schon nach wenigen Stunden aus dem Alp befreit und dafür sorgt, dass alles von vorne beginnt. Aber dann ist plötzlich alles vorbei. Alles ist gut gelaufen, alles war großartig, alle sind zufrieden und glücklich. Auf mein Adrenalin kann ich mich eben verlassen und es lässt mich bis in die frühen Morgenstunden tanzen.

Doch nur einen Tag später falle ich um, werde überfallartig schon wieder besetzt. Dieses Mal ist es ein Virus, das meinen nun entspannten Körper für die vergangenen Wochen rächt. Fast zwei Wochen zieht es mich aus dem Verkehr, gewährt ein paar Bakterien gegen Zahlung von Eintrittsgeld den Zugang und verordnet mir außer einem Hustenlöser und Antibiotikum in erster Linie Ruhe. Die hat mir gut getan und ich bin das Virus los.

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Eid Milad Mmajid!

December 27, 2015

Es ist schon stockfinster, als unser Auto am ersten Weihnachtsabend auf den Hof vor unserem Haus fährt. Sie sind da! Ich rufe die Hunde zu mir und überreiche den Gumminasen Weihnachtspräsente. Die großen Kauknochen ersetzen heute die abendliche Futterration. Außerdem lenken sie von unseren Besuchern ab, die gerade zur Haustür hereinwehen. Hallo! Frohe Weihnachten! Herzlich Willkommen! Da stehen die drei Jungs und strahlen. Keine Sorge, die Hunde sind beschäftigt. Durch die zum Hundezimmer geöffnete Tür können die drei sehen, dass sich Buster, Boomer und Sunny voller Inbrunst ihren Geschenken widmen. Das Weihnachtsgeschenk für die jungen Syrer bruzelt hinter dem beleuchteten Backofenfenster seiner Vollendung entgegen und in allen Räumen strahlen die brennende Kerzen mit dem festlich geschmückten Baum um die Wette.

Prosecco? Ist das weißer Wein? Ja, mit Kohlensäure. Kohlensäure? Englisch ist auch heute Abend tabu, so wie sonst auch. Wir sprechen Deutsch, aber auch heute helfen sie sich gegenseitig in ihrer Muttersprache. Ah! Kohlensäure! Prost! Jetzt die Bescherung, schließlich ist Weihnachten. Bescherung? Selbst die geniale Arabisch-Deutsch-App, die sowohl die jungen Männer, als auch mein Mann auf ihren Handys installiert haben, hat keine Antwort darauf. Aber Geschenke, dieses Wort kennen sie. Ihr müsst sie anprobieren, wenn sie nicht passen, müssen wir sie umtauschen. Die Winterstiefel passen, prima. In diesem Jahr hatten wir Glück mit dem Wetter, denn bei den milden Temperaturen hat niemand warme Schuhe vermisst. Aber die Kälte und der Schnee kommen gewiss. Für unsere Gäste hat Weihnachten keine tiefere Bedeutung. Aber als ich 10 Jahre alt war, freut sich A., ist der Weihnachtsmann gekommen und hat mir ein Auto geschenkt. Gerade richte ich die Vorspeise an. Marinierte Rote Bete und Ziegenfrischkäse mit karamellisierten Walnüssen weil ich weiß, dass auch in Syrien Rote Bete gegessen wird. Bei Tisch bestätigt L. das und meint, dass sie sehr gesund sei. A. überlegt noch, welches Besteck er wählen soll und wir geben eine Empfehlung ab. Normalerweise benutzen sie ihre Hände, die mit Fladenbrot oder Brotstücken jede Speise überaus geschickt in den Mund befördern. Oder es kommt ein Löffel zum Einsatz. Wir diskutieren lange und lachend darüber, wie das wohl mit einem Steak funktioniert? Während mein Mann die Gans zerlegt, trage ich die Beilagen auf und erkläre, was sich in den Schüsseln befindet. Rotkohl, den gibt es in Syrien auch. Die Jungs nicken. Dann die Füllung. Das hier befand sich im Bauch der Gans. A. fragt nach, ob die Füllung aus Innereien besteht? Sie essen gern Innereien. Nicht nur. Außer Herz und Leber der Gans enthält sie Brot, Ei, Nüsse, Pflaumen, Äpfel und Gewürze. Semmelknödel, sehr deutsch. Alle lachen und lassen sich kurz darauf die Gänseteile und Beilagen schmecken. Inzwischen liegen Buster, Boomer und Sunny um uns herum. Sie schlafen, schnarchen, fühlen sich in unserer Gesellschaft wohl. Die Jungs sind entspannt und hin und wieder fährt eine Hand streichelnd über das Fell der Hunde.

Der jüngere Bruder von A. soll uns erzählen, was er heute gemacht hat. Ay. kennt unglaublich viele Worte und für uns setzt er sie zu kleinen Geschichten zusammen. Alle hören zu, fragen nach, korrigieren freundlich, helfen mit Worten aus. So dauert eine kleine Geschichte oft so lange wie eine lange Geschichte. Und Ay. ist keineswegs gekränkt, dass wir alle unseren Spaß daran haben. Wenn ihm gerade ein Wort nicht einfällt, sagt er "Moment". In diesem Moment lachen alle. L. macht an der Schule gerade ein Praktikum als Lehrer. Die Schüler und auch die verantwortliche Lehrerin sind sehr nett. Sie helfen ihm, wenn sein Deutsch nicht ausreicht. Und er hilft ihnen, ihr Französisch zu verbessern. Dann erzählt L. von seiner Frau. Sie ist noch in Syrien und hat erst im nächsten Oktober einen Termin bei der deutschen Botschaft in Beirut. Vielleicht besteht ja die Möglichkeit, einen früheren Termin zu bekommen. Er ist zuversichtlich. Das Gespräch wird immer lebhafter, Deutsch, Arabisch, ist doch egal. Zeit für das Dessert. Bratäpfel mit Vanillesauce. Ah! Bratäpfel, sehr deutsch. Alle lachen.

Die Jungs gehören zu den Drusen, einer religiösen Minderheit im Nahen Osten. Sie gelten für alle Richtungen des Islam als Nichtmuslime, da sie den Propheten Mohammed ablehnen. Ihr Glaube steht in eklatantem Widerspruch zum muslimischen Dogma und auch der Koran ist für sie keine Offenbarung. Sie glauben an die Seelenwanderung. Deshalb ist es auch unmöglich, zum Drusentum zu konvertieren, denn eine drusische Seele wird immer wieder in einem neuen drusischen Körper geboren. A. betont, dass seine Religion die Menschlickeit sei.

Wir haben an diesem Abend wieder einmal viel gelernt. Tschüss Jungs, schön dass Ihr Weihnachten mit uns verbracht habt.

P.S. Die drei leben schon seit vielen Monaten in einer schleswig-holsteinischen Kleinstadt. Sie lernen täglich Deutsch, sind inzwischen anerkannt, A. besitzt schon einen Pass, während L. und Ay. noch darauf warten. Das Warten auf all die Dinge, die ihnen ein Weiterkommen und ihre Integration ermöglichen ist es, was sie mürbe macht. Es geht ihnen gut hier und das wissen sie auch. Und sie üben sich in Geduld. Auch wenn es schwer fällt.
P.P.S. Das Bild habe ich nicht gezeichnet, sondern ihr Foto lediglich verfremdet.

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