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Mein Wort Reich

"Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen." ( Samuel Butler)

 

 

LUGANO

May 12, 2014 5467hits

Juli 2013
LUGANO - sein großes Herz hat aufgehört zu schlagen
Vorgestern Abend legte ich meine Hand auf seine samtweichen Nüstern, während er zufrieden sein Abendbrot-Heu kaute. Seine blinden Augen konnten mich nicht sehen, aber LUGANO erkannte mich am Klang meiner Stimme, an meinem Geruch. Wie an jedem anderen Tag zuvor, hatte er sonnige Stunden auf der Koppel verbracht und jetzt genoss er die Kühle des Stallgebäudes und die Vertrautheit seiner Box.

Am nächsten Morgen kurz nach 6 Uhr - der Super-Gau: LUGANO hatte sich in der Box die linke Hinterhand gebrochen. Innerhalb der nächsten halben Stunde waren die Tierärzte vor Ort und mit ihrer Hilfe schickten wir LUGANO auf seine letzte Reise...

 

lugano

LUGANO, das beste Pferd der Welt! Unser großer brauner Wallach hatte alles, was das Interieur eines Mecklenburger Warmblutes ausmacht: Gutmütigkeit, Energie, Ruhe, Nervenstärke, Intelligenz und Ausgeglichenheit. Als er, der am 2. April 1988 geboren wurde, vor mehr als 15 Jahren zu uns kam, war er kräftig und voller Energie. Allerdings litt er schon seit einiger Zeit an einer periodischen Augenentzündung (Rezidivierende Uveitis), die damals operativ noch nicht so erfolgreich behandelt werden konnte wie heute. Sie machte sich zunächst auf nur einem Auge bemerkbar und mit Hilfe von Medikamenten konnten wir Schmerzen und Lichtempfindlichkeit lindern.

Mein Mann und LUGANO waren ein Dreamteam, das sich aufeinander absolut verlassen konnte. LUGANO zeigte sich als treuer Partner im Busch und auf der Jagd. Er behielt in jeder Situation die Ruhe, zeigte aber seine Kraft und Ausdauer, wenn es darauf ankam. Die beiden sind viele wunderbare Jagden geritten, die meisten davon hinter der Meute. LUGANOs Augenkrankheit, die auch Mondblindheit genannt wird, ist tückisch, denn sie kommt in Schüben. Diese entzündlichen Schübe kamen irgendwann in immer kürzeren Abständen und griffen letztendlich auf beide Augen über. Irgendwann war klar, dass die Jagdreiterei zu gefährlich wurde. Noch lange Zeit nach seiner letzten Jagd reagierte LUGANO sehr aufgeregt, hörte er in seiner näheren Umgebung das Geläut einer Meute. Man sah ihm dann an, wie gern er mit dabei gewesen wäre. Ganz vorn, im ersten Feld.

 

Lugano

Als die Sehkraft des linken Auges schon völlig verschwunden war und die des rechten noch schlechter wurde, ritten die beiden immer noch regelmäßig aus und sprachen ununterbrochen miteinander. Mein Mann machte ihn auf jede Unebenheit, jeden Stein, jede Kuhle, jeden Schatten und auf viele andere Dinge aufmerksam und LUGANO reagierte entsprechend darauf. Ihr Vertrauen zueinander machte dies möglich. Und alle anderen Sinne, die LUGANO im Laufe der Zeit geschärft hatte.

Vor ein paar Jahren war LUGANO völlig erblindet. Doch abgesehen davon erfreute er sich bester Gesundheit und seine Kondition war für sein Alter beachtlich. Trotz seiner Blindheit fand er sich sehr gut zurecht. In seiner Box und auch draußen auf den Koppeln, die er sich nach und nach erobert hat. Natürlich ging jedem Gang auf eine neue Weide eine ausgiebige Führung voraus und LUGANO war aufgrund seiner Intelligenz und seiner scharfen Sinne durchaus in der Lage, Hindernisse zu umgehen, Zäunen oder unseren anderen Pferden auszuweichen.
 
Auf jeder Koppel standen große Wassertröge in einer Ecke. Und egal wie groß die Weide war, LUGANO fand sie. Wir haben oft am Fenster gestanden und ihn dabei beobachtet. Ein paar Meter vor einem solchen Trog wurden seine Schritte langsamer und sein Hals länger. Er näherte sich dem Wasser vorsichtig und tastend. Und uns standen jedes Mal Tränen in den Augen, weil diese Szene immer wieder unser Herz berührte.

Unser ganzes Leben mit den Pferden drehte sich um LUGANO. Als er noch sehen konnte, stand er mit fremden Pferden in den jeweiligen Ställen. Doch als seine Sehkraft nachließ, suchten wir nach einem Haus mit einer Unterbringung für ihn. Natürlich konnte er dort nicht alleine sein, also suchten wir gleichzeitig nach einem Gefährten.

Ricasoli war sein erster Kumpel und dann kam Monti. Er war der erste „Blindenhund“ für Lugano und leistete ihm Gesellschaft, wenn mein Mann mit Rico ausritt. Aber Rico war nicht immer freundlich zu LUGANO, also musste er gehen. Seine Stelle nahm Rossini ein und als Monti uns wegen Huf-Rehe verlassen musste, wurde Bagdad der Dritte im Bunde. 2011 mussten wir Rossini in den Pferdehimmel gehen lassen und LUGANO und Bagdad waren eine Zeit lang zu zweit. Doch dann erkrankte auch Bagdad an Hufrehe, wechselte zu einer Familie mit Sandplatz und zu uns kam Rishan. Die beiden liebten sich von Anfang an und es störte sie kaum, als Unkas zu uns kam. Leider mussten wir feststellen, dass Unkas nicht gesund war und er ging zurück an seinen Vorbesitzer. Perry zog Mitte des vergangenen Jahres ein und die drei verstanden sich prächtig. Bis es auch Rishan gesundheitlich so schlecht ging, dass wir auch ihn gehen lassen mussten. Cash nahm seine Stelle ein und er, Perry und LUGANO waren ein glückliches Trio. Bis gestern.

Egal, welches Pferd gerade kam oder ging, LUGANO war immer da. Seine Artgenossen wurden danach ausgesucht, ob sie mit ihm klar kamen und viele alltäglichen Dinge und seine Unterbringung nahmen Rücksicht auf sein Handicap. Er wusste, dass er sich tausendprozentig auf meinen Mann verlassen konnte und sein Vertrauen war grenzenlos, in jeder Situation. War der Tierarzt erforderlich, dann stand LUGANO wie ein Fels in seiner Box, steckte seinen Kopf unter die Achselhöhle meines Mannes und hielt still. Die Pferdedentisten hatten ebenfalls keine Probleme mit ihm, Hauptsache mein Mann war dabei. Und im vergangenen November, als in unserem ehemaligen Pferdestall Feuer gelegt worden war, folgte er ihm in die Dunkelheit, bevor hinter ihnen alles lichterloh brannte.

Wir wussten, dass irgendwann dieser Tag kommen würde, schließlich war LUGANO bereits 25 Jahre alt. Aber wir hofften, er würde noch ein paar Jahre bei uns sein und bis zu seinem letzten Atemzug sein Gnadenbrot genießen. Doch dieser Tag war gestern - plötzlich und unerwartet. Ohne LUGANO ist unsere Familie nicht mehr komplett.

Diggeli, im Pferdehimmel sind die Koppeln saftig grün und auf ihnen wächst das ganze Jahr über der Löwenzahn. Und wenn das Geläut der Hunde zu hören ist, wirst Du laufen. So wie damals, als Du mit Deinem Reiter jedes Hindernis genommen hast.

Lauf, Großer. Wir werden Dich niemals vergessen.

pferd

Last modified on Wednesday, 30 July 2014 09:40
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