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Mein Wort Reich

"Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen." ( Samuel Butler)

 

 

Autorennen

June 5, 2014 6110hits

Noch 67 Kilometer bis Hamburg. Will heißen, ich habe gut die Hälfte meines täglichen Marathons geschafft. Der Blick durch die von zerklatschten Insekten verschmierte Windschutzscheibe ist heute Morgen mehr als ungewöhnlich, denn auf der A1 in Höhe Lübeck ist kaum etwas los. Das ändert sich wenig später. Kaum ist die auf 120 kmh begrenzte Strecke überwunden und die kurz darauf folgende Dauerbaustelle - im besten Fall mit 80 kmh - durchquert, beginnt das Rennen. Als hätte jemand die Startflagge geschwenkt. Ist die Bahn frei, macht das Spaß, zumal mein kleiner Flitzer und ich ein eingespieltes Team sind. Schließlich überwinden wir diese Distanz zweimal täglich. Also gebe ich Gas, setze den Blinker und ziehe links an ein paar behäbigen Elefanten vorbei, die sich auf zwei Spuren nebeneinander breit machen...

 

Jahrelanges Training schärft den Blick für Distanzen und Geschwindigkeit. Und glücklicherweise auch für jene, die über keinerlei kognitive Fähigkeiten verfügen.
Völlig verschlafen zieht der Wagen vor mir das Steuer nach links. Blinker? Besitzt dieses Auto wohl nicht. Offensichtlich hat sein Fahrer in etwa 100 Meter Entfernung vor sich ein Fahrzeug gesehen, das er in Kürze überholen will. Daran ist nichts auszusetzen, obwohl er diese Absicht gern unter Zuhilfenahme seiner technischen Möglichkeiten hätte anzeigen können. Der Abstand zwischen ihm und mir verringert sich. Steht der? Ich nehme noch mehr Gas weg, mein Tacho zeigt 102 kmh und der Fahrer vor mir schaut hektisch in seinen Rückspiegel. Ihm ist die Empörung anzusehen. Unerhört, dass ich ihm so auf die Pelle rücke! Er schimpft, fuchtelt mit seinen Armen in der Luft herum, die er sich gerade macht. Vielleicht hat ihn seine Beifahrerin beschwichtigt, denn seine Arme sind nicht mehr zu sehen. Er dreht ab auf die mittlere Spur und lässt mich vorbei.  Würde über seinem hochroten Kopf eine Sprechblase schweben, stünde dort "blöde Kuh!"

Bei tausend Kilometer pro Woche treffe ich die unterschiedlichsten Autofahrer. Da sind die, die routiniert und mit überschaubarem Risiko ihre Strecke zügig fahren. Dann die, denen die Unsicherheit anzusehen ist und die sich deshalb eher defensiv verhalten. Hinzu kommen die, welche bei jedem Wetter ohne Licht fahren. Diejenigen, die noch schneller sein wollen als alle anderen und die von der Bahn drängeln, die sich in den Weg stellen. Besondere Spezialisten, die kurz vor Autobahn-Auffahrten nach links gehen, selbst wenn sie die dort fahrenden Autos ausbremsen müssen. Die Fahrer von Lkw bedauere ich zwar oft, auch wenn manche mich zur Raserei bringen. Sie trifft ein hartes Los und die Bedingungen für diese Kapitäne der Autobahnen sind alles andere als gut. Doch spätestens dann, wenn sie im Winter bei schneebedeckter oder glatter Fahrbahn links mit einem Affenzahn an mir vorbei donnern, hätte ich gern ein paar Handgranaten im Gepäck.

Wobei ich diese vielleicht besser für das Baustellenmanagement in Stadt und Land aufbewahren sollte, weil sie für permanente Staus und damit für das absolute Chaos verantwortlich zeichnen. Sanierungsmaßnahmen sind notwendig, aber nicht überall zur selben Zeit. Ob die wohl alle mit dem Hubschrauber unterwegs sind?

 

P.S. Ohne Frage: auch mir passieren Fehler. Aber wirklich recht selten. :)