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Mein Wort Reich

"Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen." ( Samuel Butler)

 

 

Sunday, 27 December 2015 13:58

Eid Milad Mmajid!

Es ist schon stockfinster, als unser Auto am ersten Weihnachtsabend auf den Hof vor unserem Haus fährt. Sie sind da! Ich rufe die Hunde zu mir und überreiche den Gumminasen Weihnachtspräsente. Die großen Kauknochen ersetzen heute die abendliche Futterration. Außerdem lenken sie von unseren Besuchern ab, die gerade zur Haustür hereinwehen. Hallo! Frohe Weihnachten! Herzlich Willkommen! Da stehen die drei Jungs und strahlen. Keine Sorge, die Hunde sind beschäftigt. Durch die zum Hundezimmer geöffnete Tür können die drei sehen, dass sich Buster, Boomer und Sunny voller Inbrunst ihren Geschenken widmen. Das Weihnachtsgeschenk für die jungen Syrer bruzelt hinter dem beleuchteten Backofenfenster seiner Vollendung entgegen und in allen Räumen strahlen die brennende Kerzen mit dem festlich geschmückten Baum um die Wette.

Prosecco? Ist das weißer Wein? Ja, mit Kohlensäure. Kohlensäure? Englisch ist auch heute Abend tabu, so wie sonst auch. Wir sprechen Deutsch, aber auch heute helfen sie sich gegenseitig in ihrer Muttersprache. Ah! Kohlensäure! Prost! Jetzt die Bescherung, schließlich ist Weihnachten. Bescherung? Selbst die geniale Arabisch-Deutsch-App, die sowohl die jungen Männer, als auch mein Mann auf ihren Handys installiert haben, hat keine Antwort darauf. Aber Geschenke, dieses Wort kennen sie. Ihr müsst sie anprobieren, wenn sie nicht passen, müssen wir sie umtauschen. Die Winterstiefel passen, prima. In diesem Jahr hatten wir Glück mit dem Wetter, denn bei den milden Temperaturen hat niemand warme Schuhe vermisst. Aber die Kälte und der Schnee kommen gewiss. Für unsere Gäste hat Weihnachten keine tiefere Bedeutung. Aber als ich 10 Jahre alt war, freut sich A., ist der Weihnachtsmann gekommen und hat mir ein Auto geschenkt. Gerade richte ich die Vorspeise an. Marinierte Rote Bete und Ziegenfrischkäse mit karamellisierten Walnüssen weil ich weiß, dass auch in Syrien Rote Bete gegessen wird. Bei Tisch bestätigt L. das und meint, dass sie sehr gesund sei. A. überlegt noch, welches Besteck er wählen soll und wir geben eine Empfehlung ab. Normalerweise benutzen sie ihre Hände, die mit Fladenbrot oder Brotstücken jede Speise überaus geschickt in den Mund befördern. Oder es kommt ein Löffel zum Einsatz. Wir diskutieren lange und lachend darüber, wie das wohl mit einem Steak funktioniert? Während mein Mann die Gans zerlegt, trage ich die Beilagen auf und erkläre, was sich in den Schüsseln befindet. Rotkohl, den gibt es in Syrien auch. Die Jungs nicken. Dann die Füllung. Das hier befand sich im Bauch der Gans. A. fragt nach, ob die Füllung aus Innereien besteht? Sie essen gern Innereien. Nicht nur. Außer Herz und Leber der Gans enthält sie Brot, Ei, Nüsse, Pflaumen, Äpfel und Gewürze. Semmelknödel, sehr deutsch. Alle lachen und lassen sich kurz darauf die Gänseteile und Beilagen schmecken. Inzwischen liegen Buster, Boomer und Sunny um uns herum. Sie schlafen, schnarchen, fühlen sich in unserer Gesellschaft wohl. Die Jungs sind entspannt und hin und wieder fährt eine Hand streichelnd über das Fell der Hunde.

Der jüngere Bruder von A. soll uns erzählen, was er heute gemacht hat. Ay. kennt unglaublich viele Worte und für uns setzt er sie zu kleinen Geschichten zusammen. Alle hören zu, fragen nach, korrigieren freundlich, helfen mit Worten aus. So dauert eine kleine Geschichte oft so lange wie eine lange Geschichte. Und Ay. ist keineswegs gekränkt, dass wir alle unseren Spaß daran haben. Wenn ihm gerade ein Wort nicht einfällt, sagt er "Moment". In diesem Moment lachen alle. L. macht an der Schule gerade ein Praktikum als Lehrer. Die Schüler und auch die verantwortliche Lehrerin sind sehr nett. Sie helfen ihm, wenn sein Deutsch nicht ausreicht. Und er hilft ihnen, ihr Französisch zu verbessern. Dann erzählt L. von seiner Frau. Sie ist noch in Syrien und hat erst im nächsten Oktober einen Termin bei der deutschen Botschaft in Beirut. Vielleicht besteht ja die Möglichkeit, einen früheren Termin zu bekommen. Er ist zuversichtlich. Das Gespräch wird immer lebhafter, Deutsch, Arabisch, ist doch egal. Zeit für das Dessert. Bratäpfel mit Vanillesauce. Ah! Bratäpfel, sehr deutsch. Alle lachen.

Die Jungs gehören zu den Drusen, einer religiösen Minderheit im Nahen Osten. Sie gelten für alle Richtungen des Islam als Nichtmuslime, da sie den Propheten Mohammed ablehnen. Ihr Glaube steht in eklatantem Widerspruch zum muslimischen Dogma und auch der Koran ist für sie keine Offenbarung. Sie glauben an die Seelenwanderung. Deshalb ist es auch unmöglich, zum Drusentum zu konvertieren, denn eine drusische Seele wird immer wieder in einem neuen drusischen Körper geboren. A. betont, dass seine Religion die Menschlickeit sei.

Wir haben an diesem Abend wieder einmal viel gelernt. Tschüss Jungs, schön dass Ihr Weihnachten mit uns verbracht habt.

P.S. Die drei leben schon seit vielen Monaten in einer schleswig-holsteinischen Kleinstadt. Sie lernen täglich Deutsch, sind inzwischen anerkannt, A. besitzt schon einen Pass, während L. und Ay. noch darauf warten. Das Warten auf all die Dinge, die ihnen ein Weiterkommen und ihre Integration ermöglichen ist es, was sie mürbe macht. Es geht ihnen gut hier und das wissen sie auch. Und sie üben sich in Geduld. Auch wenn es schwer fällt.
P.P.S. Das Bild habe ich nicht gezeichnet, sondern ihr Foto lediglich verfremdet.

Published in Mein Blog
Monday, 07 December 2015 17:00

Weihnachtswunsch

Bald ist Weihnachten.
Im vergangenen Jahr haben wir Weihnachten mit zwei jungen Studentinnen aus Israel und Kamerun verbracht. Ein sehr besonderes Weihnachtsfest, das mit viel Spaß für uns alle verbunden war und das noch heute nachklingt.

Dieses Jahr wird es sicher auch wieder fröhlich werden. Die drei jungen Syrer, die erst kürzlich bei uns zu Gast waren, werden mit uns zusammen sein. Dieses Fest hat für sie keine tiefere Bedeutung, aber sie haben es schon in Syrien mit christlichen Freunden gefeiert. Ob sie einen Tannenbaum kennen? Keine Ahnung. Aber sie wissen sehr wohl, dass man am Weihnachtstag Gänsebraten isst und den haben sie sich gewünscht. "Wollen wir Weihnachten mit den drei Jungs verbringen?" Ja, sehr gern. Und obwohl ich in diesem Jahr keine Gans braten wollte, brate ich sie nun doch. Schließlich hat jeder einen Weihnachtswunsch frei.

Es ist aufregend, spannend, lehrreich und überraschend mit einem Gast aus einem fremden Land, einer fremden Kultur, an einem Tisch zu sitzen. Eine Mahlzeit, Gedanken und mehr zu teilen. Diese besondere Erfahrung kann ich nur jedem empfehlen.
Es ist einfach schön zu erleben, wie zufrieden diese Menschen sind. Weil sie für eine kurze Zeit an unserem Leben teilhaben können und dazu gehören. Und wisst Ihr was?
Es macht glücklich!

 

http://www.meinwortreich.de/blog/item/337-eine-kleine-weihnachtsgeschichte    
http://www.meinwortreich.de/blog/item/341-bei-uns-gibt-es-keine-geschenke

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