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Mein Wort Reich

"Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen." ( Samuel Butler)

 

 

Faltenwurf

December 28, 2014 5106hits

So sehr sich das Huhn auch anstrengte, es konnte die Stirn nicht in Falten legen. Der Versuch, einen wirklich Furcht einflößenden Gesichtsausdruck anzunehmen, misslang. Und selbst wenn es die kleinen, runden Augen böse zusammen kniff, die Stirn blieb glatt. Vermeintlich, denn der Kamm störte! Dominant nahm er in leuchtendem Rot seinen Platz über dem Schnabel bis hinauf zum Oberkopf ein. Nun stand das Huhn schon seit geraumer Zeit in einer Ecke des Hühnerhauses und starrte seinem Spiegelbild entgegen, dass der ausgebeulte Blechnapf mit dem Trinkwasser verschwommen widergab. Mist! Truthähne hatten es viel einfacher. Zugegeben, ihr roter Hautlappen machte sie hässlich wie die Hölle. Aber weil ihr Kopf federlos war, konnten sie ihre Stirn in perfekte plissierte Falten legen.

Das Huhn würde einen Antrag stellen. Auf Sitzstangen, die in gleicher Höhe anzubringen waren. Diese Maßnahme sollte die ständigen Kämpfe um den besten, vorzugsweise ganz oben gelegenen Schlafplatz durchkreuzen. Denn solange die Stangen noch in unterschiedlicher Höhe angebracht waren, würde die herrschende Hackordnung über Leichen gehen. Doch wie sollte das Huhn seinen Unmut kund tun, wenn es keine Stirn gab, die in Falten gelegt werden konnte? Plötzlich hatte das Huhn eine Idee...