hinterm Gartenzaun (50)
Öffne ich die Tür nach draußen, bin ich mit zwei Schritten im Garten. Am liebsten früh am Morgen, mit einem Becher Kaffee in der Hand. Das alleine ist schon Grund genug, auf dem Lande zu leben. Besonders schön ist der Mai, denn dann beginnt die Rosenblüte. Ich kann es kaum erwarten.
Überall um uns herum brennen die Gärten wahre Feuerwerke ab, dominiert von Gelb, Gold, Purpur, Violett und dunklem Rot.
In unserem Garten hält sich das Feuer in Grenzen, doch brennender Wunsch aller Rosen scheint es zu sein, nur einmal noch in diesem Jahr die Hauptrolle spielen zu dürfen. Und vielen gelingt der Durchbruch! In rosa-, creme-, vanille-, gold-, lachs-, pink-farbenen und roten Tutus tanzen sie dem Altweibersommer auf der Nase herum. Und die schönsten von ihnen schaffen es als Primaballerinen in der allerersten Reihe.
Gartenarbeit
Für das vergangene Wochenende hatten sie durchwachsenes Wetter angekündigt. In der Nähe der Ostsee bedeutet das oft Regen, Sonne, Wolken und vor allem Wind. Oder aber das komplette Gegenteil. Die Chance lag bei fifty fifty. Trotzdem dachte ich darüber nach, die Sommerblüher zu entsorgen, die Töpfe zu reinigen und entweder mit Immergrünen für den bevorstehenden Spätherbst/Winter zu bepflanzen oder aber einzulagern. Denn an einem schönen, sonnigen Spätsommertag macht mir diese Arbeit wirklich Spaß. Später, wenn das Wetter sich mürrisch von seiner grauen, nassen Seite zeigt, ist diese Aktion ätzend. Überall pfeift der Wind um die Ecken, die Pflanzen sind nass, matschig oder verfault. Und die nasse Erde klammert sich an die Blumenkübel und -töpfe und schreit um ihr Leben.
Doch am vergangenen Samstag und Sonntag war das Wetter wunderbar. Am frühen Morgen ahnte ich schon die Sonne hinter dem Hochnebel. Die Wiese war noch bis in die späten Nachmittagstunden nicht richtig getrocknet, wurde aber dennoch gemäht. Die Sommerblüher strahlten im Sonnenschein um die Wette. Die Lobelien in immer noch herrlichen Blau, die Herbstanemonen und selbst der Elfenspiegel in zartem Rosé und die Astern und Dahlien in den schönsten Violett- und Pinktönen. Im Zusammenspiel mit den verblassenden Hortensien und den letzten Rosen in diesem Jahr ein wunderschönes Bild.
Also stand ich in der Sonne und zupfte den Sommerblumen die welken Augenbrauen, was die verbliebene Blütenpracht noch schöner aussehen lies. Ich band die Ranken des Geisblatts noch einmal fest, damit der Wind sie nicht zerzauste und stärkte mit einem Reif die Rüschenröcken der Duftrosen. Und spätestens in diesem Moment löste sich mein Vorhaben in der Spätsommerluft auf.
In zwei, drei Wochen werde ich es wahrscheinlich bedauern. Wenn ich nämlich im Regenzeug und Gummistiefeln im trüben Licht eines vernieselten Herbsttages in meiner kleinen, zugigen Laube stehe und die Pflanzenreste mitsamt ihrer ausgelaugten Erde aus den Töpfen kratze. Aber ich werde mich dann auch daran erinnern, wie wunderbar die letzten Rosen dufteten.
Abgesehen davon verstehe ich es, mir auch bei eher trostlosem Wetter Highlights zu setzen. Wenigstens 20 Efeupflanzen warten jetzt schon auf den Umzug in die dann leeren Pflanzgefäße, um diese den Winter über zu begrünen. Zu den bereits ausgelegten Kürbissen werden sich weitere Artgenossen gesellen. Und dann gibt es ja noch die kleinen immergrünen Hebe-Mixe (Hebe buxufolia, -odora, -gracillima, -ochracea, -albicans, -topiaria, -pinguifolia und wahrscheinlich noch mehr), die in Kürze fast jeder Supermarkt als Six-Pack führt. Einzeln betrachtet sind sie einfach und grün, aber als Gruppe in rustikale Pflanzkörbe gesetzt, sehen sie gar nicht spießig aus.
Doch bis es soweit ist, stecke ich meine Nase noch einmal ganz tief in die Rosenblüten.
Morgensonne
Die Luft ist herrlich. Ich stelle einen Stuhl in die ersten Sonnenstrahlen dieses Morgens und mache eine Runde durch den Garten.
Der Perlenschmuck der Schneebeere strahlt vor dunklem Blattwerk. Eine der Reiseschnecken macht Pause unter einer wilden Malve.
Ein Rhododendron hat sich eine allerletzte Blüte für dieses Jahr an den Hut gesteckt.
Die fette Henne legt von Tag zu Tag mehr Rouge auf ihre Wangen.
Und die Rosen geben in diesen spätsommerlichen Tagen noch einmal alles.
Schöner kann ein Tag kaum beginnen.