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Mein Wort Reich

"Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen." ( Samuel Butler)

 

 

Das Meer

September 11, 2015 7354hits

Das Meer! Selbst hinter Glas und begrenzt durch einen Rahmen sieht dieser Ozean so lebendig, gewaltig, endlos aus. Und der hübsche kleine Hut aus Stroh! Sie schließt die Augen.

Den Strohhut hat sie zum Schutz vor dem Wind tief in die Stirn gezogen. Ihre nackten Füße versinken im weichen Sand, während leicht gekräuselte Wellen zögernd näher kommen und an ihren Knöcheln lecken. Ihr langes, mit dunkelblauen Streifen bedruckte Baumwollkleid, das sich eng und weich an ihren schmalen Körper schmiegt, rafft sie mit beiden Händen. Es soll nicht nass werden. Doch der Rock ist es längst, denn ihr Blick ist voller Sehnsucht auf den fernen Horizont gerichtet und hat keine Zeit dafür, ihren Saum im Auge zu behalten. Das Blau des Himmels erinnert sie an die vergangenen, mit Licht und Sonne ausgefüllten Tage.

An die frische Brise, die an jedem dieser frühen Morgen Nebelfetzen mit sich davon trug und die Sonne strahlen ließ. Die lauthals schreienden Möwen, wie immer streitend um den kleinsten und den letzten Happen. Und an das Prickeln auf ihrer nassen, sonnengebräunten Haut, wenn sie aus dem Wasser stieg und die Sonne sie empfing.

Noch bevor sie nach ihrem Handtuch greifen konnte fühlte sie bereits, er war da. Hatte sich im weichen Sand des Strandes lautlos genähert, war hinter sie getreten und hatte seine starken Arme um sie gelegt. Wie schon so oft. Ohne ein Wort. Nur sein Atem war ganz nah an ihrem Ohr zu spüren. Ihr Körper reagierte. Auf die Kühle dieses Morgens oder seine warme Nähe, wer wusste das schon? Seine Lippen suchten nach all den salzigen Tropfen, die sie auf ihrer Haut an Land getragen hatte. Jedes Mal hoffte sie, er würde den letzten niemals finden. Würde bleiben. Und schon am nächsten Tag wieder auf sie warten.

Jetzt öffnet sie die Augen und schaut hinaus auf das Meer. Hinter Glas. In einem Rahmen.

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