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Mein Wort Reich

"Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen." ( Samuel Butler)

 

 

Viele Fragen schwirren in meinem Kopf umher, während ich für unser gemeinsames Essen heute Abend Gemüse putze, schneide, püriere und Unmengen von Knoblauch schäle, hacke und zerdrücke. Sollten Reste übrig bleiben, würde ich sie morgen wegen meiner Termine am Montag nicht essen können. Ich tunke einen kleinen Löffel in das Glas mit Harissa und probiere. Hot, hot, hot! Das Zeug hat es in sich, aber vermischt mit kühlem, griechischen Joghurt wird es zu einer pikanten Begleitung für die Merguez, kleine französische Lammwürstchen. Ob sie die mögen? Hühnchen steht für heute Abend auf dem Wunschzettel und natürlich wird es Hühnchen geben. Mit Kartoffeln und Gemüse, so wie bestellt. Ob sie sich wohl freuen, wenn ich vorweg arabische Vorspeisen serviere? Ich male die einzelnen Mezze auf die Tafel in der Küche. Dann wissen sie gleich, was sie erwartet.

Baba2

Unsere Gäste sind vor etwas mehr als zwei bzw. vier Monaten aus Syrien gekommen. Dort lebten sie in Damaskus, jetzt leben die drei jungen Männer in unserer Nachbargemeinde. Sie sind miteinander verwandt, zwei Brüder und ihr Cousin. Heute treffe ich sie das erste Mal, kenne sie bislang nur aus Erzählungen. Im Deutschkurs der Gemeinde, den sie an fünf Vormittagen in der Woche besuchen, hat mein Mann sie getroffen. Dieser Kurs wird von ehrenamtlichen Helfern abgehalten, die alle keine Lehrer sind. Doch da es bis zum nächsten Volkshochschulkurs noch vier bis fünf Monate dauert, besuchen sie diesen Unterricht. Denn dort lernen sie neue Worte, hören den Klang der neuen Sprache und versuchen zu begreifen, was Essen und Hessen voneinander unterscheidet? Seit ein paar Wochen sind auch ihre Nachmittage mit dem Erlernen unserer Sprache ausgefüllt. Mit meinem Mann zusammen erobern sie ihr 'Deutsch für Migranten'-Lehrbuch, erzählen ihm Geschichten aus ihrem Leben. Sie haben ein Ziel und das tägliche Reden, Lesen, Hören, Schreiben bringt sie diesem Ziel näher. Und sie lernen oft bis in die Nacht. Manches Mal dauert es lange, bis eine Geschichte erzählt ist. Und nein, bitte kein Englisch! Die drei haben studiert bzw. waren noch im Studium bevor sie hierher kamen. Doch sie wollen auf keine andere Sprache ausweichen, wenn es um Erklärungen geht.

Sie sind da. Die Hunde müssen heute Abend in ihrem Zimmer bleiben. Der jüngste unserer Gäste hat panische Angst vor Hunden. Hallo! Herzlich willkommen! Einer nach dem anderen gibt mir die Hand. Schüchtern sind sie. Erleichterung macht sich breit als sie sehen, dass keine Hunde über sie herfallen. Möchtet Ihr Wein? Rot oder weiß? Zwei von ihnen entscheiden sich für Rotwein und der dritte gesteht, dass er noch nie Wein getrunken hat. Möchtest Du ihn probieren? Ja. Er grinst. Der Rotwein schmeckt ihm. Wir erfahren, dass er bislang aus religiösen Gründen keinen Alkohol getrunken hat. In Syrien trinken die Menschen "in der Regel" (O-Ton, beachtlich!) keinen Alkohol. Jetzt stehen sie vor meiner Tafel und versuchen, die von mir in lateinischer Schrift geschriebenen arabischen Namen der Mezze zu lesen. Sehr fröhlich, alles erkannt.

Wir sitzen am Tisch, guten Appetit - wajabbat shahia! Mir wird erklärt, dass 'Nakamik' in Syrien nicht als Vorspeise serviert werden. Aber sie schmeckt allen. Mein 'Baba Ganoush' wird gelobt, obwohl man in Syrien auf die Oberfläche der Auberginencreme immer noch eine dünne Schicht Olivenöl zusätzlich gießt und beim 'Spanech' bemerken sie, dass dafür in ihrer Heimat keine "saure", sondern "alte" Sahne verwendet wird. Es schmeckt allen, auch der Rotwein. Die Gespräche stocken hin und wieder und in den Pausen fliegen arabische Worte über dem Tisch hin und her. Sie helfen sich gegenseitig, ihre Sätze mit deutschen Worten zu füllen und keiner von ihnen ist beleidigt, wenn die anderen lachen. Sie erzählen mir, dass sie noch Schwierigkeiten damit haben, beispielsweise den Unterschied zwischen "kennen" und "wissen" zu begreifen. Bilden aber gleich darauf zwei völlig korrekte Sätze unter Einsatz dieser Worte. Auch die langen, zusammengesetzten Wortgebilde der deutschen Sprache bereiten ihnen Probleme. "Asylbewerberangelegenheiten" ist eines davon, und es gibt viele mehr. Unsere Gäste stellen viele Fragen und ich sehe, wie sie unsere Antwort darauf hinter ihrer Stirn sortieren und abspeichern. Um dann, wohl überlegt, einen Satz zu formulieren, der uns zusammenbrechen lässt. Vor Überraschung und vor Lachen. An so mancher Stelle war es wirklich sehr lustig und wir alle hatten unseren Spaß.

Offenbar war es selbstverständlich für unsere drei Besucher, mit uns gemeinsam den Tisch abzuräumen. Und zuletzt fragt mich der älteste von ihnen "...und das Salz kommt hier hin?" und stellt es an den richtigen Platz. Bevor mein Mann sie nach Hause fährt beschließen wir, dass er das nächste Mal gemeinsam mit den dreien einkauft und sie in unserem Haus für uns etwas Syrisches kochen. Darauf freue ich mich! Nem!

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Ich liebe am Herbst

die geheimnisvollen Morgennebel
und die glutroten Sonnenaufgänge,
das Geschnatter der Enten auf dem Dorfteich
und das Formationsrauschen der Gänse über mir,
den kalten Ostwind, wenn er um die Ecke pfeift
und das lange Frühstück am Sonntagmorgen,
Kastanien, die auf unser Garagendach knallen
und das allererste Feuer im Kamin,
all das Laub im Sonnenschein zu harken
und meinen Gedanken dabei nachzuhängen,
den knallblauen Schleswig-Holstein-Himmel
und meinen schönen Garten unter ihm,
Sonnenlicht im Spinnennetzdamast
und den Duft von nassem Moos und Laub,
wunderbare frische Pilze in meiner Pfanne
und samtweichen Rotwein am Abend,
die weiche Wolldecke über meinen Füßen,
ein Buch und das Geräusch von Regenschauern.
Und die Stille danach.

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Das Meer! Selbst hinter Glas und begrenzt durch einen Rahmen sieht dieser Ozean so lebendig, gewaltig, endlos aus. Und der hübsche kleine Hut aus Stroh! Sie schließt die Augen.

Den Strohhut hat sie zum Schutz vor dem Wind tief in die Stirn gezogen. Ihre nackten Füße versinken im weichen Sand, während leicht gekräuselte Wellen zögernd näher kommen und an ihren Knöcheln lecken. Ihr langes, mit dunkelblauen Streifen bedruckte Baumwollkleid, das sich eng und weich an ihren schmalen Körper schmiegt, rafft sie mit beiden Händen. Es soll nicht nass werden. Doch der Rock ist es längst, denn ihr Blick ist voller Sehnsucht auf den fernen Horizont gerichtet und hat keine Zeit dafür, ihren Saum im Auge zu behalten. Das Blau des Himmels erinnert sie an die vergangenen, mit Licht und Sonne ausgefüllten Tage.

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Besonders am frühen Morgen ist es deutlich zu spüren. Und zu riechen! Es wird Herbst. Die ersten Nebelschwaden wabern über die Felder und die Luft legt mir den Geschmack von nassen Blättern, feuchtem Holz und letzten Sonnenstrahlen auf die Zunge. Ich liebe den Herbst.

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Nur noch ein weiterer Tag und der August ist vorbei. Dieser Sommer war vielleicht nicht an jedem Tag das, was man unter einem Sommer versteht, aber er war dennoch schön. Es gab viele sonnige und auch ein paar heiße Tage. Es gab die Tage mit mehr oder weniger Wolken. Tage mit starkem und mit leichtem Wind. Und an etlichen  Tagen kurze und manchmal auch kräftige Schauer. Dem Garten hat es gut getan.

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Die Wiese zeigt ein sattes Grün, Bäume und Sträucher ebenfalls. Die Rosen haben uns mit ihrer ersten großen Blüte reich beschenkt und gerade legen sie noch einmal nach. Schaue ich mir ihre Knospen an, haben wir noch einiges zu erwarten. Auch die Stauden geben noch einmal ihr Bestes und die, deren Zeit jetzt erst gekommen ist, bekennen bereits Farbe.

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Ich freue mich auf den Herbst. Besonders auf die kühleren, sonnigen Tage, wenn die in all den vielen Spinnennetzen gefangenen Tautropfen glitzern. Aber ich mag auch die Zeit, wenn sich der Nebel auf alles legt und den ganzen Tag nicht mehr aufsteht. Denn spätestens dann ist die Zeit gekommen, ein Feuer im Kamin anzuzünden und sich mit einem Buch und einer Wolldecke aufs Sofa zu kuscheln. Spätestens dann!

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